Als wir vor mehr als 20 Jahren auf dem Coloradoplateau unterwegs waren, gehörte der Besuch eines oder mehrerer Slot Canyons zum „must do“. Die, welche uns damals bekannt waren, heißen Lower and Upper Antelope Canyon. Nicht unbedingt täglich, aber relativ häufig lasen wir von schlimmen, meist tödlichen Unfällen während Springfluten, die in solchen engen Schluchten wirklich gefährlich sind. Da wir eine solche Springflut in einem weit breiteren Canyon selbst erleben mussten, waren wir besonders vorsichtig und verzichteten dann auf die beiden Antelope Canyons. Später erkannten die Navajos, auf deren Territorium die Schluchten liegen, dass man mit geführten Touren Geld verdienen kann und bauten ein richtiges Big Business daraus. Durch diverse Social Media Kanäle kannte plötzlich die ganze Welt Bilder davon, der Besucherstrom wurde immer breiter und hält bis heute an. Wir reihen uns heute auch in diesen Strom. Inzwischen führen Leitern und Treppen hinab in den Canyon und am anderen Ende wieder heraus. Verboten mitzunehmen ist alles, was sperrig ist, dazu gehören Rucksäcke genauso wie Wanderstöcke und erst recht Stative. Lediglich eine Wasserflasche wird geduldet und eine Fotokamera.

Die Tour buchten wir gestern. Wir wählten den Lower Antelope, weil jener für Eva relativ einfach zu begehen ist und weil es dort freie Plätze für die Mittagszeit gab. Im unmittelbaren Umfeld der Antelope Canyons waren wir gestern Abend schon angekommen, deshalb ist unsere Anreise kurz. Letzte Nacht passierte jedoch etwas, was uns alle Tage hier völlig fremd geworden ist: es regnete. Nicht wirklich viel, aber der Himmel war und ist immer noch bedeckt. Komischerweise bringt mich das nicht in Verzweiflung, obwohl sonst ich derjenige bin, dem das lichttechnische Optimum gerade gut genug ist. Eva macht sich darüber mehr Gedanken und findet es schon ein bisschen schade. Optimus kann nicht schaden, müssen wird doch die Sonne bei Laune halten. Und siehe da, wenige Minuten vor unserem Tourbeginn reißt die Wolkendecke über uns auf und die Sonne schickt die ersten direkten Sonnenstrahlen auf uns. Für den Canyonbesuch hat sich die Lichtsituation damit signifikant verbessert. Gleich ist es wieder so warm, dass wir nach dem Canyonbesuch erst einmal ein Eis essen werden.

Die Tour beginnt mit Belehrungen und dem expliziten Verbot des Filmens. Wer zuwider handelt, wird der Schlucht verwiesen. Warum gerade das Filmen, auch mit dem Smartphone, verboten ist, erschließt sich uns nicht unmittelbar, am Ende der Veranstaltung wird ein Grund klar: Zeit. Wer schon einmal eine geführte Höhlentour mitgemacht hat, bekommt eine ungefähre Vorstellung davon, wie es hier abläuft: Eine Gruppe nach der anderen, hier jeweils bestehend aus einem Guide und 15 Touristen, wird durch den Canyon geschleust. Klingt fürchterlich, ist es im Grunde auch, funktioniert aber trotzdem. Grund dafür ist das Naturwunder „Slot Canyon“. Es ist einfach unbeschreiblich. Ich entschuldige mich hier schonmal für die vielen Fotos. Es sieht ob der Masse aus wie unselektiert, ist es aber nicht. Eva hat so viele schöne Bilder gemacht. Meine kommen später (viel später), die müssen erst noch entwickelt und bearbeitet werden.

Hinter jeder neuen Biegung unten im Canyon sieht es wieder anders aus. Hat man gerade den Fotoapparat oder das Handy weggesteckt, holt man diesen oder es sogleich wieder hervor um die nächste, noch schönere Form zu fotografieren. Die Farben ändern sich hauptsächlich durch die Blickrichtung des in Nord-Süd-Richtung ausgerichteten Canyons. Nach Süden blickend, wirkt der Sandstein Gelb, nach Norden eher Rot, zumindest ist das über Mittag so. Über Mittag? Dann, wenn der Fotograf und sein Werkzeug eigentlich Pause haben? Wenn die Kontraste zu stark und das Licht flach sind? Ja, in einem Slot Canyon ist das die beste Zeit. Das Sonnenlicht fällt genau von oben herein, bei viel Glück entstehen sogar die spektakulären Light Beams.

Am Ende sind wir ziemlich begeistert und schauen gleich mal, ob wir noch eine Tour für einen der anderen Canyons bekommen. Eine dreistündige Photographing Tour in den Antelope-X gäbe es für morgen noch. Wir überlegen, überprüfen die Wettervorhersage und lassen es dann doch.

Jens

Er fotografiert und gelegentlich schreibt er auch.