Um Sieben klingelte der Wecker, bzw. das Telefon tat das, was man äquivalent zum Weckerklingeln heute so erwartet. Schwer fiel uns das Aufstehen nicht – sooo schön ist es auf einem Parkplatz vor einem Einkaufszentrum dann doch nicht. Aber egal, die Fahrtücktigkeit ist wieder hergestellt und von der Gesamtstrecke Dresden – Rotterdam haben wir ein Drittel geschafft. Wir müssen also nur noch quer rüber – von Magdeburg nach Hannover, weiter Richtung Osnabrück, dann zur holländischen Grenze, vorbei an Enschede. Hier werden ein paar Erinnerungen wach: Eva war dort an der Uni im Spätsommer und Herbst 1998 ein paar Wochen. Ich bin fast jedes Wochenende hierhin gefahren um sie zu besuchen. Freitags nach der Arbeit von Dresden bis hierher und Sonntagabend wieder zurück. Heute möchte ich das nicht mehr machen.

Weiter ging es über Arnheim und Utrecht bis nach Rotterdam. Je näher wir dem Hafen von Rotterdam kamen, desto zäher wurde es – freitägliche Rush hour. Gegen 17:00 Uhr hatten wir es geschafft. Am CheckIn schien man förmlich auf uns zu warten, keine Schlange erwartete uns. Wir konnten nahezu ohne anzuhalten (na ja, nicht ganz) bis auf das Schiff durchfahren.

So leger, wie wir eingewiesen wurden, was klar, dass die Fähre keinesfalls voll werden würde. Ein kurzer Check, ob es möglich wäre, heute noch ein Ticket für eine Überfahrt zu bekommen, bestätigte dies. Uns bestärkt das in der Gewissheit, dass wir nach dem Urlaub auch irgendwie wieder zurückkommen werden, ein Ticket nach Hause haben wir nämlich noch nicht, da wir jetzt noch nicht wissen wollen, wo uns unsere Reise hintreiben wird.

Die Fähre, unser Schiff ist der ganze Stolz von Hull („Pride of Hull“), legt planmäßig erst 21:00 Uhr ab, aber irgendwie sind dann alle da und der Kapitän vermeldet dann eine halbe Stunde eher, dass er jetzt ablegen würde. Die Überfahrt solle sehr ruhig werden und das englische Ufer pünktlich um 8:00 Uhr erreichen. Wir sitzen zu diesem Zeitpunkt im Restaurant und verspeisen den ersten Gang unseres Abendessens.

Nach diesem mittelprächtigen Genuss verziehen wir uns in die Irish Bar um Fußball zu schauen. Es spielt die Niederlande gegen Frankreich. Es geht dabei gar nicht um das Spiel, sondern um die Atmosphäre, schließlich vermuten wir den ein oder anderen Dutchman neben uns. Kaum habe ich mich gesetzt, werde ich sogleich von meinem Nachbarn gefragt, wo ich denn herkäme. Er sei Schotte und würde mich ob meiner Größe für einen Niederländer halten. So haben wir dieses Klischee auch schon ganz am Anfang des Urlaubs erfüllt, das gelingt uns eigentlich immer, auch wenn ich zugeben muss, dass es auf einer Fähre, die in Rotterdam ablegt, sehr naheliegend ist. Ich entgegne ihm aber, dass ich Deutscher sei und entschuldige mich sogleich für das erste Spiel, in welchem unsere Nationalmannschaft die seine mit 5:1 geschlagen hatte. Er winkt aber ab und meinte, es wäre schon verdient für Deutschland gewesen. Dann erzählt er uns, dass er mit seinem Neffen zur EM in Deutschland in drei Städten war und jetzt wieder nach Hause fährt. Er war in Hamburg, in Berlin und in Köln und war begeistert über die Stimmung. Das ist schön zu hören. Ich entgegne ihm, dass ich sowieso dafür wäre, dass Schottland und Irland immer automatisch qualifiziert wären, weil deren beider Fans die schönste Atmosphäre im Stadion mit ihren Gesängen schaffen. Danach sind wir quasi gute Freunde auf Zeit und langweilen uns gemeinsam am Spiel zwischen den Oranjes und Les Bleu. Nur einmal flammt so etwas wie Jubel auf, als die Niederländer ein Tor schießen, welches aber wegen Abseits nicht gegeben wird. Wir erkennen damit aber, dass die Mehrheit der Passagiere an ihren Fahrzeugen gelbe Nummernschilder haben. Von unserem schottischen Nachbarn verabschieden wir uns alsbald, nicht ohne seiner Mannschaft den maximalen Erfolg für das letzte Gruppenspiel zu wünschen.

Jens

Er fotografiert und gelegentlich schreibt er auch.