Oder waren es gar 700? Oder 7000? Ich übertreibe. Eva hatte vorgeschlagen, „27 auf einen Streich“ zu schreiben, das sah aber doof aus, auch wenn es eher der Realität entsprochen hätte. Ich schreibe hier von Midges, die uns irgendwie letzte Nacht ins Bett gefolgt waren und überall um uns herum schwirrten und die Decke des Fahrzeugs von innen besetzten. So wäre es also jeden Tag gewesen, wenn wir immer schönes Wetter gehabt hätten. Wir hatten also eine Menge zu tun und mordeten eine Weile vor uns hin, bevor der Schlaf beginnen konnte. Da wir uns nicht mehr trauten, die Fenster zu öffnen, weil diese 2 bis 3mm kleinen Blutsauger auch durch das Fliegengitter kommen, waren wir gefühlt ein wenig unterversorgt, was den Sauerstoff betraf. Immerhin erkannten wir uns heute morgen noch, auch weil wir wohl ziemlich erfolgreich mit der nächtlichen Razzia waren, denn wirklich viele Bisse stellten wir an uns heute früh nicht fest. Ich meine sogar, ich habe gar keinen abbekommen. Das schmälert natürlich in keiner Weise die Meinung von gestern Abend über diesen Stellplatz und das Wetter dazu, auch weil es heute morgen so weiterging, wie es in der Nacht endete. Wir konnten draußen frühstücken, fast hätten wir nachlesen müssen, wie das denn geht, so selten, wie dies in Schottland für uns möglich war.

Während des Frühstücks konsultieren wir den Fahrplan für die Fähre über den Sund um eine Überfahrt nicht zu verpassen. So viele Überfahrten gibt es am Sonntag nicht, auch die Größe ist sehr begrenzt. Wir machten uns also mit ausreichend Puffer auf den Weg. Am Kai angekommen stellte sich irgendwie Norwegenfeeling ein: Blauer Himmel, strahlende Sonne, nicht zu heiß, der Geruch des Meeres, was wollen wir mehr? Ein (erfolgloser) Angler trug ebenso zu diesem schönen Gefühl bei. Der Windsack baumelte lustlos in der leichten Briese. Auch das ist ein völlig neues Gefühl für uns in Schottland. Selbst unsere Füße bekamen heute das, was wir diesen schon den ganzen Urlaub versprochen hatten.

  • Ferry Kilchoan-Tobermory

In der Schlange hatten wir uns auf Platz 3 eingeordnet, die Chance mitzukommen war also ziemlich groß. Viel später hätten wir nicht da sein dürfen. Das wurde uns klar, als wir die Fähre sahen.

Kilchoan
Tobermory

Die 50minütige Überfahrt nach Tobermory genossen wir bei schönstem Wetter mit schönen Aussichten auf die Inneren und Äußeren Hebriden.

Tobermory?

Da war doch was. Die aufmerksame Leser:in erinnert sich: Auf der Isle of Mull begann unsere Schottlandrunde. Jetzt, drei Wochen später, sind wir wieder hier. Der kleine Fischerort soll als einer der schönsten Schottlands gelten, wegen der vielen farbigen Häuser. Vor drei Wochen war nicht viel mit bunt, zu grau war das Wetter. Heute sieht das alles viel schöner aus.

Jetzt, wo wir Whisky an vielen Orten in Schottland probiert haben, habe zumindest ich festgestellt, welcher mir am besten schmeckt. Es sind die Wässerchen aus Tobermory. Was lag also näher als in der Destillerie nochmal vorbeizufahren. Evas Fahrrad war dann ein Whiskytransportfahrzeug. Evas Reaktion beim Verkosten der verschiedenen Abfüllungen, egal woher, ändert sich jedoch kaum von Whisky zu Whisky. Im Gesicht nach dem Riechen im Glas kann ich da durchaus noch ein gewisses Wohlgefallen erkennen, machmal zumindest. Das Gesicht nach dem Schmecken ist…sagen wir mal…begrenzt wohlwollend. Für mich gehört Evas Gesicht aber schon zur rituellen Verkostung dazu 🤣

Wo das WLAN sich ganz von allein verbindet

Diese Überschrift hatten wir schonmal benutzt, als wir bei unserem letzten Sommertrip in Island unsere Lieblingsgastgeber spontan besuchten. Hier passiert es wieder. Wir sind in Fionnphort, dem unserer Meinung nach schönstem Campground in Schottland, gegenüber von Iona. Im Gegensatz zu Island ist es aber ziemlich sinnlos, sich hier mit einem WLAN zu verbinden, die Anbindung ans Internet ist grauenhaft. Das gilt nicht nur für hier, sondern überall im Land der Clans und Kilts. Egal, hier ist ausnahmsweise guter LTE-Empfang, den wir vielleicht nochmal brauchen wollen, heute ist EM-Finale.

Eva hat einen Platz im Restaurant The Keel Row gebucht, auch dort waren wir schon. Der angeschlossene Pub ist heute voll bis unter die Decke. Alle, die nicht reinpassen, sitzen draußen und verfolgen das Finale auf ihren Handies. So richtig aufmerksam verfolgt es dann aber doch niemand. In der ersten Halbzeit ist das Spiel zu langweilig. Wir widmen uns unserem Essen, für uns gibt es schottische Langoustinen.

Wieder auf unserem Stellplatz, der heute wieder genauso schön ist, wie beim ersten Besuch, setzen wir uns in die Abendsonne und schauen uns die zweite, bessere Halbzeit an – Luxus pur. Jetzt ist die Sonne hinter Iona untergegangen, wieder zaubert sie schöne Farben in den Himmel. Es wirkt fast so, als wolle sie etwas gutmachen…

Jens

Er fotografiert und gelegentlich schreibt er auch.