Nach unserer Verspätung am gestrigen Morgen half uns heute der Wecker. Wir wollten schließlich ein erkleckliches Stück auf der NortCoast 500 nach Süden vorwärtskommen. Der erste Blick aus dem Fenster am Bett zeigte kurz nach Sonnenaufgang ähnlich schöne Farben, wie gestern Abend schon. Aber das war dann doch noch etwas zu zeitig. Ein nächster Blick ein paar Stunden später sah blauen Himmel. Dieses Wolkenloch war dann aber 8:00 Uhr schon wieder geschlossen, nur eine kleiner Fleck im Atlantik zeugte davon, dass es irgendwo eine Sonne geben mag. Trotzdem fühlte sich der heutige Morgen irgendwie freundlicher an als die vorherigen. An der Temperatur lag es nicht, aber es fehlte der Wind. So schön das laue Lüftchen ist, bringt es doch zwei Problemchen mit sich: Das Wetter wird weniger wechselhaft und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens winziger sechsbeiniger Mistviecher steigt. Für letztere haben wir ja die ein oder andere Vorkehrung und das ein oder andere Mittelchen mit, die Werkzeuge zur Wetterbeeinflussung haben wir aber irgendwie verlegt 😉

Unser Frühstück organisierten wir uns an der Breakfast Bar auf dem Campground. Diese wird von einem ausgewanderten Deutschen betrieben und er erzählte uns, dass dieser Sommer 7-10° zu kalt wäre. Der Regen und die Wolken wären ja so wie immer, aber die Temperaturen nicht. Hilft uns zwar nicht, aber doch irgendwie beruhigend, dass nicht wir mit falschen Vorstellungen hier hergekommen sind.

Also machten wir uns auf Richtung Süden, wieder auf die NC500, die heute noch schöner als gestern sein würde. Wenn wir also eines richtig gemacht hatten, dann war es die Fahrtrichtung gegen den Uhrzeigersinn. Für uns ist das eine stetige und monotone Steigerung, anders herum hätte man die Highlights am Anfang und danach weniger spektakuläre Aussichten. Das mögen aber andere Reisende ganz anders sehen. Außerdem bessert sich das Wetter wirklich zusehends. Heute beleuchtete die Sonne doch tatsächlich immer wieder die Landschaft, die dadurch viel abwechslungsreicher wirkt. Es wäre wirklich schade gewesen, wenn wir diesen Teil Schottlands hier nur im Einheitsgrau gesehen hätten.

Für das Hüngerchen zwischendurch suchte Eva eine Seafood Bar in Ullapool, dem Abfahrtsort für die Fähre nach Lewis and Harris, der größten und nördlichsten Insel der Äußeren Hebriden. In unseren Apps haben wir für Ullapool in den letzten zwei Wochen immer wieder die Wetterdaten konsultiert, um damit einen Anhaltspunkt für die nördliche Westküste zu bekommen. Wir haben keinen einzigen Tag gesehen, wo es in Ullapool nicht geregnet hat, und zwar nicht ein bisschen, sondern Bindfäden. Heute aber sah der Hafenort so aus, als wäre hier immer schönes Wetter. Wird auch Zeit, das hat ja 14 Tage gedauert! Unser Mittagessen an der Seafood Bar war das beste des gesamten Urlaubs, so gut war die geräucherte Meerforelle, die Paté aus geräucherte Makrele, die schottischen Langustinen und: eine Auster von hier. Ich wusste zwar, dass es eine Austernzucht auch hier in Schottland gibt, dass diese aber so hervorragende Austern hervorbringt, war mir nicht bekannt. Es war nur eine – erst einmal nur zum Probieren – aber diese hatte gehobenes bretonisches Niveau – und ich glaube, dass ich das durchaus etwas einschätzen kann.

Da sich der Ort durch gutes Wetter und hervorragenden Seefood auch für weiteres bei uns zu qualifizieren schien, gaben wir dem nach und „organisierten“ noch das ein oder andere Mitbringsel. Da gibt es noch einige Whiskysorten von Inseln, wo wir nicht hinkommen werden, die wir aber trotzdem probieren könnten und auch endverarbeitete Schafwolle gab es so viel hier, dass diese Produkte sogar verkauft werden mussten. Den Whisky von der Insel Islay gibt es nur für uns, der ist unseren „Bestellern“ zu rauchig und zu torfig.

Das Wetter wurde noch ein bisschen besser, die Aussichten erreichten inzwischen norwegisches Niveau, mit dem Unterschied, dass hier die Vegetation doch üppiger ist. Da merkt man den Breitengrad und die Wirkung des häufigen Regens. Auch die alten Douglasien, die gelegentlich in den Wäldern zu sehen sind, sind durchaus beeindruckend. Das können wir einschätzen, kennen wir doch diese Baumriesen aus ihrem ursprünglichen Habitat im pazifischen Nordwesten. So groß und alt wie dort können sie nicht sein, da die ersten dieser Bäume erst nach Kolumbus hierher gekommen sein können.

Unseren Platz für die Nacht fanden wir im Glen Torridon. Auf der schönen Single track road fahren nur noch ein paar wenige Wohnmobile, die jetzt alle die gleichen Ambitionen haben, wie wir auch gerade noch. Die Dichte an mobilen Schlafgelegenheiten nimmt jetzt deutlich zu. Noch ist es nirgends übervoll, wie an vielen Stellen in Schottland inzwischen geklagt wird. Wir werden darüber nicht klagen, wir sind Teil des Problems. Auch die Schotten sind in ihrer Bewertung zwiegespalten, da sie auch wissen, dass wir, bzw. der Tourismus an sich eine nicht unerhebliche Einnahmequelle darstellt.

Jens

Er fotografiert und gelegentlich schreibt er auch.