Ich glaube, heute haben wir eine Premiere erreicht: Wir waren die letzten auf dem Campground! Wir werden wieder einen Wecker bemühen müssen, wenn wir irgendwann wieder nach Hause kommen wollen. Vor uns liegt jetzt die schottische Westküste, deren Straßen deutlich kurviger und die Strecken wesentlich länger sind. Die gefühlt vorletzten Abreisenden waren unsere Mainzer Fußball-Mitgucker von gestern Abend. Sie hatten diese Nacht eine besondere Herausforderung zu überstehen – sie standen direkt neben einem Wohnmobil aus Wiesbaden – eine schwere Prüfung für Mainzer, wie sie uns erklärten. Heute früh vermeldeten sie uns noch, dass es gar nicht so schlimm war, weil zwar das Fahrzeug von roadsurfer.com ein Wiesbadener Kennzeichen hat, die Insassen jedoch aus Frankreich kommen. Solche schwerwiegenden Probleme liegen vollständig außerhalb unseres Erfahrungshorizontes, uns, deren Heimatstadt sich auf beiden Seiten des Flusses erstreckt.

Unser erster Stopp war heute an den Klippen von Duncansby Head, in Sichtweite unseres Campgrounds. Ein bisschen schlechtes Gewissen hatten wir, dass wir nicht gestern bei schönerem Wetter dort waren, aber es hatte das Viertelfinale gewonnen. Gleichzeitig redete ich mir ein, dass die Sonne sowieso schon zu tief stand, um die Seastacks unterhalb der Klippen noch zu beleuchten. Heute morgen oder besser Mittag hätte theoretisch die Sonne besser gestanden aber nur theoretisch, wie wir schon wussten, weil die Landschaft wieder ihren grauen Mantel angezogen hat. Egal, wir wanderten trotzdem in Serpentinen über das Grün bis zur Steilküste. Serpentinen nicht etwa, um die Steigungen zu überwinden, sondern um nicht in den frischen Dünger zu treten, welchen die wiederkäuenden weißen Wollknäuel hier zahlreich auslegt hatten.

An der Küste gab es neben den erwarteten Seastacks wieder jede Menge Seevögel, die auch nicht zu überriechen waren. Neben Dreizehenmöven, Seeschwalben, Trottellummen und einigen Papageitauchern sahen wir auch Eissturmtaucher, die wir bisher nur aus Spitzbergen kennen. Da mussten wir dann gleich einmal darüber nachdenken, wie schön es dort war und wir meinen, die Temperaturen waren dort höher 😉

Unser nächster Stopp war der Leuchtturm am Dunnet Head, auch dort soll es viele Seevögel geben. Diese waren aber nur beim Fliegen zu sehen, weil die Nester direkt unter uns waren und man nicht bis ganz nach vorn gehen konnte. Der Leuchtturm ist seit kurzem in privaten Besitz und deshalb das Gelände drumherum nicht mehr begehbar – schade.

Viel Strecke haben wir noch nicht geschafft bis zu unserer nächsten größeren Zielumgebung. In den nächsten Tagen möchten wir gern auf der Isle of Skye ankommen, und das möglichst, bevor die vielen Touristen der Main Season dort einfallen. Das Wetter sieht für die nähere Zukunft auch vielversprechend aus – also für schottische Verhältnisse. So folgen wir weiter der North Coast 500, über die ich meine Einschätzung der letzten Tage etwas revidieren muss: Je weiter wir diese in Richtung Westen fahren, desto schöner wird sie. Eva meinte während der Fahrt: „Wenn hier noch die Sonne scheinen würde…“

Unser Ziel für heute verlegten wir kurz entschlossen auf den Campground über den Songo Sands, direkt auf einer Klippe. Wir haben somit heute so ziemlich die komplette schottische Nordküste gequert. Die Landschaft erinnert schon an norwegische Verhältnisse, inklusive der ellenlangen Umfahrungen der Fjorde, die hier Firth heißen. Historisch war diese Gegend mehr von Wikingern geprägt als von Kelten und Pikten. Das merkt man teilweise an den Ortsnamen, auch wenn wir jetzt an unserem Tagesziel in einem Pub sind, der einen Gälischen Namen trägt und auch sonst schottisch dominiert ist. Wir gingen da nur hin, um nachzuschauen, wie das Viertelfinalspiel zwischen England und der Schweiz verfolgt wird. Beim 1:0 für die Schweiz war der Jubel deutlich lauter unter den Schotten als später beim Ausgleich der Jubel der wenigen englischen Touristen hier. Verlängerung und Elfmeterschießen sahen wir dann in unserem privaten Studio. Ob die richtigen gewonnen haben, überlassen wir anderen.

Der Ausblick ist jedenfalls grandios. Unsere statistischen Untersuchungen zeigen bis jetzt, dass die günstigsten Campgrounds jene in den schönsten Umgebungen sind. Ich setze diesen hier mal auf Platz 2 der inoffiziellen und empirischen Erhebung durch uns. Auf Platz 1 steht bisher der Fidden Campground auf der Isle of Mull. Sogar ein bisschen Farbe kam noch in den Himmel.

Jens

Er fotografiert und gelegentlich schreibt er auch.