Heute beginnt noch gestern: Es ist nicht einmal Mitternacht, als wir das erste Mal auf den Wecker schauen. 9 Stunden Zeitverschiebung sind halt nicht ohne. Für die unbewussten Komponenten unseres Körpers ist der Mittagsschlaf jetzt vorbei. Das typisch amerikanische Bett trägt auch nicht unbedingt dazu bei, den Schlaf leicht fortsetzen zu können. Rolle ich mich an den Rand der Matratze, gibt diese soweit nach, dass ich direkt nach draußen weiterrollen könnte, um wenig später in den Abgrund zu stürzen. Treffen wir uns in der Mitte der Matratze, versinken wir in der Caldeira des Bettes. Aber, um es noch einmal zu schreiben: das Zimmer ist wirklich schön, nur das Bett ist halt amerikanisch.

Irgendwann haben wir uns mit vielen Unterbrechungen durch die Nacht geschlafen und erscheinen pünktlich 7.30 Uhr zum gar nicht amerikanischen Frühstück. Es gibt viel Obst und Salat, Joghurt, Früchte und so weiter, aber keinen Speck. Gar nicht schlimm! Eierspeisen bekommen wir auf Wunsch frisch zubereitet. Das Frühstück scheint sogar derart unamerikanisch, dass unsere amerikanischen Tischnachbarn nachfragen müssen, was das weiße hinten am Buffet wohl sei: Es ist Frischkäse – wie exklusiv 😉

Unser gestern Abend noch geordertes uber-Taxi ist pünktlich 9.30 Uhr da, auch wenn der großräumige Kombi eine Limousine wird und wir unser Gepäck zwischen Kofferraum und Beifahrersitz verteilen müssen. Am Ende der Fahrt bekomme ich von uber die Abrechnung und sehe, dass von den bezahlten $33, irgendwas noch nicht einmal 9 Dollar beim Fahrer landen – dürfte man eigentlich nicht unterstützen, geht hier aber gar nicht mehr anders.

Egal, wir sind zehn Minuten vor unserer Abholzeit bei roadsurfer, und eine halbe Stunde später auch schon wieder weg. Die Übernahme erfolgt mehr oder weniger in Eigenregie unter Zuhilfenahme einer Checkliste in der roadsurfer-App. Evas Kommentar: Na ja, wenn wir so ein Auto noch nie gefahren wären, kämen wir hier gar nicht weg. Der Pflegezustand des Fahrzeugs hält sich in Grenzen, der Ölstand ist viel zu hoch, mein Kommentar dazu: Das fährt sich weg. Zumindest für das Öl wird das am Ende des Tages zutreffen.

Erstes Ziel ist der Walmart, gleich um die Ecke. Im Tausch von 188 Dollar haben wir Kühlschrank und einen Teil der anderen Schränke mit Nahrungsmittel gefüllt. Alles was wir hier nicht bekommen, hat der Farmer’s Market ein paar Straßen weiter, Gläser und Tassen bekommen wir bei Target gleich nebenan. Die Campingausstattung, welche wir mitgeordert haben, ist ein Witz. Wir werden im Laufe der Zeit noch das ein oder andere beschaffen müssen.

Kurz vor 12 sind wir auf der Interstate 405 Richtung Norden und stellen uns in den Verkehr, manchmal in eine von 8 Spuren. Wir stehen nie wirklich im Stau, aber es ist teilweise sehr zähflüssig. Je weiter wir vom Meer entfernt sind, desto geringer sind die Einflüsse des Seenebels, der Dampf des Wassers in der Luft wird durch den Smog des Mollochs ersetzt. Die Flugbegleiterin gestern auf dem Flug von Dresden nach München wollte uns etwas von der Schönheit von L.A. erzählen – wir protestierten energisch.

100°F und es wird immer heißer! Zum Nachrechnen: Minus 32, dann geteilt durch 1,8. Geneigte Leser:innen werden auf Werte um 40°C kommen. Ein Zwischenstopp führt uns zum Zwecke des Erwerbs einer Axt noch zu home depot. In die Luft vom Parkplatz bis zum Eingang schneiden wir uns einen Weg, nicht ohne Jacke, die brauchen wir im Markt ganz dringend, herrschen dort doch gefühlt Minusgrade.

Nach 230 Meilen haben wir unser heutiges Ziel, den Sequoia National Park, erreicht. Am Eingang kaufen wir uns den Annual Pass, der uns jetzt für ein Jahr lang in allen U.S.-Nationalparks Eintritt gewählt. Der Ranger erklärt uns, er hätte aber ein Problem, da sein Computer ausgefallen sei und er derzeit nur Bargeld nähme. Ich erzähle ihm, dass ich genau für diesen Zweck Dollarnoten von zu Hause mitgebracht hätte, die seit 9 Jahren im Schrank gelegen hätten. Er meinte, ich wäre well prepared. Für die Auswahl eines Schlafplatzes für die Nacht trifft dies jedoch nicht zu. Alle Campgrounds full oder closed. Hätte man reservieren sollen, hatte ich nicht gemacht. Es hätte ja auch sein können, hier in der Sierra Nevada ist es zu kalt und wir fahren nicht hin. Zu kalt? Das können wir uns jetzt bei mehr als 30°C nach Sonnenuntergang nicht vorstellen. Wir finden vor den Toren des Nationalparks einen Platz mit Wasseranschluss, damit wir unseren Tank auffüllen können.

Inzwischen ist es dunkel, wir räumen unser Fahrzeug ein und stellen fest, dass die Verstaumöglichkeiten sehr übersichtlich sind. Für den Tagesausklang reicht uns ein schlechter Wein aus unseren neuen Gläsern. Gegen 22.00 Uhr gehen wir ins Bett. Für Eva geht das Querbett im Wagen von der Länge ganz gut, ich passe mit etwas Pressung auch hinein. Dass es eng werden würde, wussten wir vorher. Das ist ein bewusst erbrachtes Opfer, welches ich für die Nutzung der Möglichkeiten dieses Fahrzeugs erbringe. Mal sehen, wie ich am Ende der Reise darüber denke.

Jens

Er fotografiert und gelegentlich schreibt er auch.