Es war so gegen 9:00 Uhr als Eva vom Duschen kam und mal vorsichtig fragte, ob ich auch mal aufstehen wollte. Da unser Heim schon ziemlich wackelt, wenn man sich viel bewegt, war sie davon ausgegangen, dass ich ihr Aufstehen wohl mitbekommen haben musste, war aber nicht so. Ich war wohl sehr gerecht, so tief, wie ich schlief 😉 Nun aber war es auch für mich an der Zeit aufzustehen. Der Kaffee war dann auch fertig, als ich vom Duschen kam – so könnte Urlaub immer sein 🥹

Wir muddelten dann vor uns hin, ließen erstmalig auf dieser Reise Grauwasser ab, bunkerten Trinkwasser und wurden nun schon zum zweiten Mal für unser tolles Gefährt bewundert. Ein Angebot, mit einem übergroßen Wohnmobil zu tauschen, lehnten wir aber ab. Erste Aufgabe heute war der Erwerb von „Smidges“, der empfohlenen Chemie gegen die winzigen Highlandmücken. Bisher haben wir noch keine erlebt, das ist aber nur eine Frage der Zeit. Unsere selbstgestellte Aufgabe haben wir in der nächsten Apotheke erfüllt. An der Kasse wurden wir befragt, ob der Preis von £9,75 in Ordnung wäre. Wir bejahten das und fragten uns kurz danach, ob wir eine Wahl gehabt hätten. Kann man das verhandeln? Vielleicht fand die Apothekerin es peinlich, uns so viel Geld für ein Präparat abzuknöpfen, was eigentlich nur die Geruchssinne der winzigen Blutsauger verwirren soll. Im Laufe des Tages sollten wir aber feststellen, dass der Preis wohl normal ist, an anderen Orten, wo wir „Smidges“ heute sahen, war es sogar teurer. Interessant war noch, dass die Apotheke viele unterschiedliche Mittelchen gegen sechsbeinige Vampire hatte, aber das Fach mit „Smidges“ ziemlich leer war. Wir hoffen einfach mal, dass es das richtige Mittel ist. Für mich ist das meist nicht so wichtig, ich habe den besten Mückenschutz vor 28 Jahren geheiratet 😉 Eva hat sich aber im Vorfeld intensiv mit diversen Schutzmechanismen beschäftigt, von der „Körperchemie“ über das Mückennetz bis zu thermisch-chemischen Verfahren. Über die Fliegengitter im Wohnmobil, so meint sie, würden die 2-Millimeter-Insekten wohl nur lachen, bzw. diese nicht einmal wahrnehmen, da diese viel zu grobmaschig wären.

Kurz darauf begaben wir uns on the road Richtung Skyfalls, in einem schönen Tal in den Highlands gelegen, die wir heute erreichen würden. Dieses Tal ist bekannt aus dem 007-Film „Skyfall“. Wir können die Landschaft nicht wirklich mit James Bond verbinden, dafür kennen wir den Film nur zu oberflächlich, gelesen hatten wir davon aber mehrfach. Der Single track ins Tal hinein war wirklich schön, auf der Hinfahrt fühlte es sich auch noch nicht so voll an, nicht jede Ausweichstelle mussten wir nutzen. An einer der Pitches kam uns ein deutsches Wohnmobil entgegen. Dessen Fahrer war in diesem Moment wohl vom Rückenmark gesteuert, denn er fuhr nicht nach links, sondern nach rechts. Da hatte er Glück, dass dies für uns kein Problem darstellte, obwohl es Eva schon seltsam fand, dass wir auf der „falschen“ Seite dieses Wohnmobil passierten. Ich glaube, dass dem Fahrer sein Fauxpas in diesem Moment aber gar nicht klar war. Wir grüßten trotzdem freundlich, wie sich das gehört. An dieser Stelle sei bemerkt, dass uns bisher das Fahren auf der für uns ungewohnten Seite nicht schwer fiel. Wahrscheinlich hat sich bei uns schon eine gewisse Gewohnheit eingestellt, ist es doch nicht unsere erste Reise in Ländern mit „Falschfahrern“. Trotzdem wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch wir mal irgendwo die richtige, hier aber falsche Seite, wählen werden.

An den Skyfalls wollte ich zum ersten Mal das große Fotoequipment benutzen. Den Wasserfall sahen wir von der Straße aus nicht wirklich, konnten seine Lage aber anhand der größeren Anzahl dort stehender Autos erahnen. Wir fuhren noch ein Stück weiter, bis wir eine Stelle zum Wenden fanden. Jetzt, in der entgegengesetzten Richtung war der Bach mit seinen vielen Stromschnellen und Kaskaden auch viel besser zu sehen. Wir reihten uns in die am Wegesrand parkenden Autos ein und machten uns auf den kurzen Weg zu den „berühmten“ Skyfalls. Bei den ersten Bildern muss ich immer noch etwas üben, bis sich der „Flow“ wieder einstellt.

Irgendwann machten wir uns an die Weiterfahrt, nicht ohne an anderer Stelle eine viel schönere Kaskade zu sehen. Auf Stativ etc. habe ich aber verzichtet, sondern nur das Handy bemüht.

Zurück auf der „Hauptstraße“, diese hatte dann wieder zwei Fahrspuren, eine für jede Richtung, war unser Ziel das Tal von Glencoe. Wir erreichten das Tal über den Pass, bzw. das was man hier auf den britischen Inseln so nennt. Einem Alpenbewohner ringt so ein Pass hier wohl nicht einmal ein müdes Lächeln ab, für die Briten, deren höchster Berg Ben Nevis hier in den Highlands 1.345 Meter erreicht, ist das aber schon außerordentlich. Vor uns lag aber jetzt nicht dieser Gipfel, sondern die Drei Schwestern, drei dekorative Granitmassive, nicht sieben wie an Helgelands Küste in Mittelnorwegen. Als wir das Panorama ausgeguckt hatten, ging es weiter runter ins Tal zum Visitor Center, bei uns stellte sich ein gewisser Kaffeedurst ein. Wir verbrachten einiges an Zeit dort und waren dann zu spät für unser Begehr – auch in der Hochsaison schließen hier 16:00 Uhr die Pforten, obwohl es noch lange hell ist, die Sonne geht erst nach 22:00 Uhr unter und richtig dunkel wird es um die Sommersonnenwende auch nicht. Das kennen wir aus noch weiter nördlich gelegenen Gefilden, aus dem Land der Wikinger anders. Apropos Wikinger: Die prägten auch an der Argyll-Küste die Geschichte. Die Gegend, die wir gerade durchqueren, ist eher von diesen Nordmännern geprägt als von Kelten und Kaledoniern. Die Anzahl der Burgen und Schlösser am Wegesrand hält sich deshalb in Grenzen.

Einen Kaffee gab es dann für uns kurze Zeit später in einer netten Einkehr am Wegesrand und auch eine Burg fand sich mit dem Castle Stalker noch, bevor wir Oban erreichten. Von hier sollte uns Caledonian MacBrayne, die hiesige Reederei, mit einer ihrer Fähren auf die Isle of Mull bringen. Das Buchen einer Passage auf der Website gelang uns nicht, immer sah es so aus, als gäbe es keine Möglichkeit mehr mit so einem Gefährt wie unserem transportiert zu werden. Ganz ausgeschlossen war das tatsächlich nicht, hatten wir doch im Vorfeld viel über das überfüllte Schottland und die vielen Wohnmobile gelesen, obwohl sich das unserer Meinung nach nicht mit dem deckt, was wir hier bisher erlebt haben. Also fuhren wir erst einmal zum Fährterminal und versuchten unser Glück vor Ort. Unser Wunsch nach der nächstmöglichen Überfahrt mit einem 7-Meter-Gefährt könnte uns 20:00 Uhr erfüllt werden, wenn wir denn bereit wären, dafür einen Unkostenbeitrag von 8,50 Britischen Pfund für uns und weiteren £39,95 für unser Gefährt zu entrichten. Wir taten dies und hatten jetzt noch eineinhalb Stunden Zeit, um unsere Essensvorräte aufzufüllen.

Das Schiff kam dann 19:30 Uhr und irgendwie kam uns diese Bauform sehr bekannt vor. Genau solche Fähren gibt es in Norwegen zu Hauf. Werden diese dort eher wie Straßen auf dem Wasser benutzt, also kein Ticketkauf im Vorfeld, kein CheckIn usw. ist das hier etwas komplizierter. Auch das Personal trägt hier Helm und Schwimmweste – in Norwegen haben wir dergleichen noch bei keinem Mitglied des Bootspersonal gesehen. Die Fähre blieb am Ende ziemlich leer. Neben uns und einem zweiten Wohnmobil standen nur wenige weitere Fahrzeuge an Deck, das Schiff war somit weitestgehend leer. Die einstündige Überfahrt verbrachten wir in der Pet Area, ohne die es in Britannien wohl nicht geht. Alle anderen Sitzmöglichkeiten waren schon geschlossen, da die Reinigung derselben begonnen hatte. Das Schiff sollte nach dieser Überfahrt seinen Dienst für heute getan haben. Die größten Hinweisschilder an Deck sind übrigens nicht jene zur Sicherheit an Bord mit Hinweisen zur Lage von Schwimmwesten und Rettungsbooten, sondern die Verhaltensregeln zu Vierbeinern, solche Dinge, wie die Maximallänge der Leine etc. – schon irgendwie putzig.

Eine Durchsage gab es kurz vor Ankunft auf der Isle of Mull aber dann doch noch. Es wurde darauf hingewiesen, dass es auf der Insel nur Single track roads gäbe und man doch bitte die Ausweichbuchten bei Gegenverkehr nutzen sollte. „Was sollte man auch sonst tun?“ war Evas nicht unberechtigte Frage. Aber die werden schon wissen, warum sie das extra durchsagen…

Wir bogen, wieder eine Straße unter den Rädern, sogleich nach links ab und folgten dem Weg Richtung Fionnphort ganz im Südwesten der Insel. Unterwegs sollte es die eine oder andere Möglichkeit geben, wo wir über Nacht stehen könnten. Das andere Wohnmobil begann sogleich eine Rally. Es sah so aus, als wollte der Fahrer um jeden Preis verhindern, dass ich ihn überholen könnte, damit er mit Sicherheit den einzigen freien Stellplatz auf dieser Insel vor uns erreichen würde. Ich hatte nicht vor, ihn daran zu hindern, so hatte er vor uns „seinen“ Platz erreicht. Wir fuhren noch ein paar Meilen und fanden eine Lücke für uns am Three Lochs Viewpoint. Unsere Nachbarin bemerkte zu unserem Einparkmanöver „I’m very impressed“. Es war das erste Mal in diesem Urlaub, wo die niedrige Übersetzung der untersten der 9 Gänge und der Allradantrieb sehr hilfreich waren. Nun stehen wir hier und finden die Aussicht „Very Impressive“, auch wenn ich bemängeln muss, dass wir vom Tisch aus nur zwei der drei Seen sehen können. Aber wir brauchen auch noch Steigerungsmöglichkeiten für die nächsten Wochen.

Jens

Er fotografiert und manchmal schreibt er auch.