Schon heute Nacht, bevor ich ins Bett ging, hatte sich der Himmel aufgeklart und ich konnte sogar ein paar Sterne sehen. Jetzt wird es nachts hier wieder dunkel genug dafür. Die ersten Nächte des Urlaubs um die Sommersonnenwende waren dazu zu hell. Weiße Nächte – ich weiß gar nicht, ob es diesen Begriff hier in Schottland so gibt.

Der Morgen zeigte uns von unserem Stellplatz aus somit vieles, was uns gestern vorenthalten wurde: Die Isle of May, der Bass rock, die großen Forth Brücken und eine Öl- oder Gasförderplattform, die hier wirklich bis in den Firth hinein stehen bzw. schwimmen. Da das Wetter erst einmal so bleiben würde für die erste Hälfte des Tages, folgten wir weiter der Küstenlinie auf der Fife Peninsula.

Wir erreichten den östlichsten Punkt und sahen einen Golfplatz, bis an die Klippen kamen wir nicht. Aber wir müssen anerkennen, dass dieser Golfplatz wirklich außerordentlich schön angelegt worden war. Das sehen wohl auch die Schotten so, jedenfalls war er sehr frequentiert. Besondern lustig war für uns ein Grün anzusehen, welches zum Abschläge üben benutzt wird. Auf diesem Grün gab es viele weiße und gelbe Punkte – die Bälle, die irgendwann von irgendwem wieder eingesammelt werden müssten. Wir fuhren weiter bis St. Andrews, einer kleinen Stadt hier an der Küste, die für ihre mittelalterliche Bausubstanz bekannt ist – und außerdem ist es die Welthauptstadt des Golfsports, wie wir jetzt wissen. Das erklärt vielleicht auch die vielen Golfspieler vorhin auf dem Grün.

St. Andrews wollte wirklich von uns besucht werden, da mitten in der für unser Fahrzeug viel zu kleinen Stadt eine einzige Lücke nur für uns reserviert schien. Wir haben vorsichtshalber zweimal überprüft, ob man dort stehen dürfte, offensichtlich ja, denn es fiel uns nichts auf, was dagegensprechen würde. Der Bezahlomat war out of order, aber Eva ist für so etwas mit allerlei Apps für weltweites Parken gut ausgestattet.

Uns interessiert als erstes die romanisch-gotische Kathedrale bzw. das, was von ihr übrig ist. Der Eintritt auf dem Gelände ist derzeit ausgesetzt, weil das dazugehörige Museum gerade renoviert wird. Am Eingang und im Gelände sind Volunteers im Einsatz, die trotzdem ein bisschen Hintergrundinformation vermitteln und dafür eine kleine Spende gern einsammeln. Wir hatten Glück und bekamen unseren Vortrag ohne schottischen Akzent, sodass wir überdurchschnittlich viel verstanden haben. Unsere Donation hätte es aber auch mit einem schottischen Vortrag gegeben 😀

Der Bau der Kathedrale zog sich ziemlich lang hin, vom 11. bis zum 14. Jahrhundert. Vielleicht war der Bau so lang, weil das Bauwerk so lang war, jedenfalls ziemlich beeindruckend für die Zeit und die Gegend. Der Chorraum und die beiden Seitenschiffe wurden im romanischem Stil gebaut, während man in den noch vorhandenen Fensterbögen des Langschiffes sehen konnte, wie langsam die Gotik Einfluss gewann. Aus den einst runden Bögen der Romanik wurden immer spitzere Bögen, wie sie in der Gotik üblich waren. Die Reformation im 16. Jahrhundert überstand die Kirche nicht in ihrer Funktion. Das dazugehörige Kloster wurde aufgegeben und das Bauwerk als Steinbruch für die Häuser im Ort verwendet. Heute stehen deshalb nur noch Fragmente des einstigen Kirchenbaus.

Wir vertraten uns noch eine ganze Weile im Ort die Beine, Eva musste Parkzeit nachbuchen. Als dies dann nicht mehr möglich war, wir hatten inzwischen auch gut gespeist, übergaben wir unsere Parklücke an den nächsten Glücklichen, wandten uns mit unserem für die Stadt eigentlich zu großen Gefährt aus der Stadt und begaben uns Richtung South Queensferry. Wie der Name nahelegt, war das der Ort, an welchem die Fähre über den Firth am Südufer anlegte. Heute hat diese Fähre dank der inzwischen drei Brücken eine weit geringere Bedeutung und so ist South Queensferry heute der Ort unter den drei Brücken.

Für jemanden wie mich, der ein gewisses Interesse für solche Bauwerke und die Mechanik und Statik dahinter aufbringen kann, ist das durchaus interessant. Gerade die rote Forth Bridge, einst die größte Brücke der Welt und zur damaligen Zeit ein technisches Meisterwerk wollte ich immer mal sehen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als Jugendlicher Bücher aus der Stadtbibliothek über solche Bauwerke quasi verschlang und immer zu wissen glaubte, dass ich diese Brücken niemals in echt sehen würde, sei es die Golden Gate Bridge in San Francisco oder auch die Forth Bridge hier bei Edinburgh. Da neben dieser Auslegerbrücke für die Eisenbahn auch noch eine Hängebrücke für den Autoverkehr und als jüngste eine Schrägseilbrücke für die Autobahn existiert, musste Eva ein paar Referate über die Statik dieser Bauwerke, über Fächer- Büschel- und Harfenabspannungen an Schrägseilbrücken und Gerberträger an Auslegerbrücken über sich ergehen lassen. Ich entschuldige mich an dieser Stelle dafür 😘

Nun war es nicht mehr weit bis zu unserem Ziel für heute und morgen, ein Campingplatz am Rande Edinburghs. Für die letzten beiden Nächte in Schottland haben wir hier Quartier bezogen. Vorrausschauenderweise hatte Eva uns hier einen Platz reserviert. Wir sind tatsächlich nicht die Einzigen hier 😉 Die Wetterprognose wurde heute deutlich übererfüllt. Die Sonne schien bis zur ihrer Nachtpause, der obligatorische Regenguss dauerte gefühlt nur wenige Sekunden.

Jens

Er fotografiert und gelegentlich schreibt er auch.