Heute ist er also angebrochen, unser letzter vollständiger Tag in Schottland. Und dann klingelt da doch tatsächlich 7 Uhr der Wecker. Wir müssen schon ganz schön verrückt sein, aber wir fahren heute nach Edinburgh. Für 10 Uhr habe ich eine Führung gebucht und wir wollen vorher gern noch irgendwo frühstücken.

Daher haben wir ganz clever gestern Abend bei Bolt ein Auto bestellt, dass uns 8 Uhr hier am Campingplatz abholen soll. App installiert und in einem Affenzirkus versucht, alles zu tun, damit dieses Auto heute auch wirklich pünktlich ist. Jens musste dafür sogar seinen Ausweis scannen und ein Selfie machen. Immerhin kam relativ schnell die Bestätigung, dass wir zwischen 8:00 Uhr und 8:10 Uhr abgeholt werden. Gemeinsam mit dem Weckerklingeln kam auch die Bestätigung, dass das Auto pünktlich sei. Also haben wir uns kurz vor 8 Uhr unkoffeiniert und ohne Frühstück auf den Weg gemacht, um 8 Uhr die Nachricht zu bekommen, dass kein Fahrer für uns gefunden wurde. Was für ein Sch…start! Glücklicherweise kommt man von hier ja auch mit dem Bus weg. Das wollten wir zwar vermeiden, um das Knie am Anfang ein bisschen zu schonen, aber nun hatten wir keine andere Wahl. Also sind wir losmarschiert zur Bushaltestelle, 5 Minuten später kam der Bus, der uns in knapp 40 Minuten ins Zentrum von Edinburgh brachte. Das war ja fast ein bisschen wie eine Fahrt von Grumbach nach Dresden 😉

Da Jens schon im Bus fast die Augen wieder zufielen, versuchten wir dann das erste Restaurant zu erstürmen, in dem es eine Frühstückskarte gab. Diese sah auch recht ansprechend aus, erwies sich aber leider als Fake. Es gab gar kein Frühstück 🙁 Jens hat dann ein bisschen missmutig auch auf den Kaffee verzichtet und wir haben uns ein paar Straßen weiter ins nächste Restaurant gesetzt und dort gab es dann nicht nur Kaffee, sondern auch ganze Berge von Ei auf dem Teller. Da sind wir auf jeden Fall satt geworden.

Pünktlich 10 Uhr standen wir am goldenen Briefkasten, an dem unsere Tour beginnen sollte. Mit uns war noch eine Familie mit zwei Mädchen unterwegs. Gebucht hatten wir bei Melli von mellisschottlandabenteuer.com. Sie ist vor 11 Jahren hierher ausgewandert und hat uns auf eine etwas „abseitigere“ Tour mitgenommen. Wir haben viel über die schottische Geschichte erfahren, aber auch Einblick ins Leben der heutigen Schotten gewonnen, sind nun über Stromleitungen und Abwasserrohre im Bilde und haben nebenbei auch noch ein paar Harry-Potter-Hotspots mitbekommen. Für die beiden Teenies in unserer kleinen Gruppe war das sicher eines der Highlights. Nach zwei Stunden waren wir gut mit Wissen über Edinburgh angefüllt, waren zwei Stunden auf diesem ehemaligen Vulkan herumgelaufen und hatten jetzt noch die ein oder andere Idee, was es noch anzusehen gäbe.

Begonnen haben wir auf einem der Friedhöfe, auf dem nicht nur Greyfriars Bobby ein Denkmal bekommen hat, sondern auf dem sich J.K. Rowling scheinbar auch die Inspiration für ihre Figuren holte. Zwei Namen haben wir gefunden, danach mussten wir unbedingt etwas trinken.

So gestärkt haben wir uns wieder auf den kurzen Weg zurück begeben (Edinburgh ist im Zentrum wirklich nicht besonders groß) und haben nun auch einen Blick in die St. Giles‘ Cathedral geworfen. Die Kirche ist nicht besonders pompös, was ich persönlich ja sehr von Vorteil finde. Wir hatten das große Glück, das der ortsansässige Chor gerade probte. So setzten wir uns einfach auf einen Stuhl und lauschten. Das war sehr schön und was für die Seele.

Der Herr, dessen Statue hier in der Kirche steht, war John Knox, wenn man so will, der Martin Luther Schottlands oder vielleicht besser ein schottischer Zwingli oder auch Calvin. Jedenfalls war er neben seinem Reformationseifer auch sehr frauenfeindlich. Begraben wurde er auf dem Friedhof hinter der Kathedrale. Dieser wurde schon längst aufgegeben, heute ist dort ein Parkplatz. Nur eine Steinplatte mitten auf dem Parkplatz erinnert heute noch an sein Grab. Wenn nicht gerade ein Auto darauf steht, ist es vielen Frauen ein späte Rache, mindestens mal mit den Füßen darauf zu stampfen.

Danach waren wir ausreichend von der Stadt gesättigt. Da merkt man, dass wir 4 Wochen lang nicht besonders vielen Menschen begegnet sind 🙂

Der Bus hat uns dann zuverlässig wieder zu unserem Campground gebracht und unterwegs zitierte Jens mal wieder Reinhard Mey: „Danke, liebe gute Fee…“, dass du uns heute morgen kein Auto geschickt hast. Auf der Fahrt mit dem Bus haben wir wahrscheinlich so viel mehr entdecken können, vor allem im Doppelstockbus oben.

Quasi am Eingang zu unserem Zeltplatz gab es noch einen Farmers Market, in dem wir uns heute noch mit feinem französischem Sauerteigbrot, Fisch und frischen schottischen Erdbeeren versorgten. Nach einem Spätnachmittagschlaf für Jens aßen wir noch eine Kleinigkeit davon, mussten uns aber sehr zusammenreißen, da wir doch für heute auch einen Tisch im nebenan liegenden Restaurant/Pub reserviert hatten. Dort gab’s die „Henkersmahlzeit“ in Schottland (heute gab’s wohl zu viele Geschichten über Hinrichtungen 😉 ).

Elementarteilchenphysik

Einen Walk of Fame gibt es nicht nur in Los Angeles, sondern auch in Edinburgh. Hier dürfen sich keine Schauspieler und andere Celebrities mit ihren Handabdrücken verewigen, sondern bedeutende Personen der Stadt und ihrer Umgebung. Ganz am Anfang, wie könnte es anders sein, sind die Handabdrücke von J.K. Rowlings zu sehen. Wie an der teils schon nicht mehr vorhandenen Goldschicht zu erkennen ist, sind dies hier die eindeutig prominentesten Hände. Melli meinte, wir könnten uns die anderen Hände ruhig mal anschauen, vermutlich würden wir sowieso niemand bekannten entdecken, es seien vornehmlich Rugby-Sportler etc. So ziemlich die erste Inschrift, die uns auffiel, gehört zu einem gewissen Prof. Peter W. Higgs. Wir kannten ihn, was Melli sofort in Erstaunen versetzte. Eva fragte mich, ob das der Physiker mit dem Higgs-Boson sein. Mellis Frage dazu an mich: Seit ihr Physiker? Mal ehrlich: Wer von euch Leser:innen hätte das gewusst? Ich bin richtig stolz auf meine naturwissenschaftlich versierte Frau! Da sieht man mal, was für ein Wissens- und Interessentransfer in einer langjährigen Ehe stattfindet, und zwar in beide Richtungen! Und nein, wir sind nach wie vor keine Physiker:innen, nur ich bin vielleicht ein bisschen überdurchschnittlich für „unnützes Wissen“ empfänglich 🤪

Jens

Eva

Sie schreibt und immer häufiger fotografiert sie auch.