Eine schottische Weisheit sagt, es gäbe nur zwei Jahreszeiten: Juni oder Shit. Es sah heute morgen so aus, als wäre der Juni gerade vorbei und die andere Jahreszeit angebrochen, aber das wussten wir gestern Abend schon. Regen prasselte immer mal wieder auf unser Dach. Gestern Abend noch änderten wir unseren Route mit dem Ziel Ostküste. Nicht die Ostküste von Mull, sondern die Ostküste des „Festlandes“, wie die Britten ihre Hauptinsel nennen. Dort jedenfalls soll das Wetter in den nächsten Tagen besser sein.

Wir ließen also den Fähranleger in Tobermory links liegen und machten uns auf, den Sound of Mull an seiner schmalsten Stelle in Fishnish nach Lochaline zu queren. Das ersparte uns das manövrieren unseres Fahrzeugs in den engen Gassen von Tobermory. Trotzdem hatten wir 10:0 Uhr noch einen Termin in der Destillery. Wir sind jetzt auch in Sachen Im- und Export von raffinierten Gerstensaftkonzentraten tätig, unsere Transportkapazität ist aber begrenzt. Wir wurden für unsere Auswahl gelobt, was sollte der Verkäufer auch sonst sagen? Zusätzlich machte er uns darauf aufmerksam, diese hochprozentigen Destillate immer mit einem Schuss Wasser zu „beleben“. Ein bisschen stolz auf mich und mein seit sehr kurzer Zeit bestehendes Fachwissen konnte ich wissend nicken.

Die Abfertigung an der Fähre in Fishnish erinnerte uns dann auch an vergangene norwegische Zeiten: Hinfahren, Ticket kaufen, drauffahren, sitzenbleiben, warten, weiterfahren. Frühere norwegische Zeiten deshalb, weil dieses Prozedere in Norwegen längst einem automatischen Prozess gewichen ist, bzw. oberhalb des Polarkreises komplett abgeschafft wurde. Dort sind die Fähren kostenlos.

Auf dem Festland angekommen, folgten wir der Empfehlung unseres Navi’s auf die B8043. Jede Ziffer mehr für eine Straßennummer verkleinert die Straßenbreite, ein B statt des A sowieso. Diese Piste war dann wirklich grenzwertig, Ausweichstellen gab es sehr selten, Verkehr gab es aber zum Glück auch keinen. Außergewöhnlich schön war die Straße aber ohne Frage, auch bei diesem Wetter. Inzwischen haben wir diese Piste auch auf dangerousrouds.org gefunden.

Nach nicht enden wollenden Kurven, Schlaglöchern und Buckeln erreichten wir wieder eine dreistellige A-Straße, die sogar zwei Spuren hatte. Noch einmal querten wir einen Fjord – sorry, in Schottland ist es ein Firth und waren wieder in Glencoe.

Den gleichen Pass, den wir schon vor ein paar Tagen fuhren, besahen wir uns jetzt in der Gegenrichtung. Das Sehen war aber sehr eng begrenzt, Regen, dicke, tief stehende Wolken und Nebel. Die Meetings of the Three Waters waren heute ein Treffpunkt von vier Wassern, drei von den Bergen kommend, eines direkt von oben.

Je weiter wir nach Osten kamen, desto besser wurde es. Es ist noch nicht wirklich gut, die Wetterdienste versprechen uns für morgen aber Besseres.

Jens

Er fotografiert und gelegentlich schreibt er auch.