Der Himmel begrüßte uns heute morgen so, wie es die Wetterdienste gestern Abend ankündigten. Da sich alle Apps mit ihren verschiedenen Wettermodellen gegen Abend auf eine Prognose geeinigt hatten, konnten wir uns ziemlich sicher sein, auch wenn der Sonnenuntergang und die lange nautische Dämmerung, die bis in den Sonnenaufgang reicht, etwas anderes vermuten ließ.

Wir würden uns bei unterschiedlichen Prognosen prinzipiell auf die mit dem schönsten Wetter verlassen, heute war das aber egal. Trotzdem sahen wir sogar kurz den blauen Himmel durch Löcher in der ansonsten geschlossenen Wolkendecke schimmern. Positiv dabei: Der Himmel weinte nicht.

Wir und unser Fahrzeug bekamen alle sanitären Bedürfnisse erfüllt, wir sattelten unsere Räder und begaben uns zur Fähre auf die Insel Iona. Dort wollten wir das vom Heiligen Columban im 6. Jh. gegründete Kloster besuchen. Heiliger Columban? Kannte ich nicht, Eva aber auch nicht, das beruhigte mich dann doch. Später, im 13. Jahrhundert, war es eine Benediktinerabtei, ein Kloster der Augustinerinnen gab es nebenan. Nach der Trennung von der katholischen Kirche und dem Papsttum durch Heinrich VIII. verschwanden wenig später auch die Benediktiner und Augustinerinnen von der Insel. Erst 1938 wurde das klösterliche Leben auf Iona wiederbelebt. Heute ist es eine ökumenische Kommune. Unzählige Besucher erreichen jeden Tag die Insel und ihre 160 Einwohner mit den häufig verkehrenden Fähren. Autos werden nicht transportiert, aber Fahrräder, so wie unsere – und das sogar kostenlos (zumindest die Räder). So konnten wir die Wege auf der Insel umfangreicher und schneller zurücklegen als viele andere. Von den Hügeln der eher flachen Insel sahen wir bis nach Staffa, der Basaltinsel, auf der wir gestern waren und stellen fest, dass die Boote, die heute dorthin verkehrten, sehr leer waren. Das hatte seinen Grund. Das Meer war zwar nicht rau, die Sicht jedoch suboptimal. Manchmal konnte man die Silhouette der Insel kaum vom Himmel trennen.

In der Abtei störte uns das aber wenig. Die Kirche ist wirklich sehenswert. Erst dachte ich, im Altarraum hingen Farne an Ampeln an der Wand, aber weit gefehlt, die wuchsen einfach durch jede Mauerritze, wirklich sehr dekorativ. Da die Kirche nicht erst seit gestern hier steht, wird das wohl auch noch eine Weile so funktionieren.

Am Nachmittag traten wir die Rückreise mit derselben Fähre an, verstauten unsere Räder in unserer Garage und machten uns auf den Weg über die Isle of Mull Richtung Tobermory, oder gälisch: Tobar Mhoire. Das klingt irgendwie erhabener. Ich gehe zumindest davon aus, aussprechen können wir das nicht wirklich korrekt, isländisch erscheint mir einfacher 😉 Die keltischen Wurzeln wirken auch ins Englische. Es ist schon manchmal ein Aha-Erlebnis für uns, schottisches Englisch zu hören. Die Aussprache unterscheidet sich teilweise stark von dem, was unsere Ohren bisher als Englisch gehört hatten. Trotzdem ist es ganz gut zu verstehen und klingt irgendwie…sagen wir…interessant. Die Papageitaucher von gestern, die wir auf der ganzen englisch sprechenden Welt von Alaska über Island bis nach Norwegen als Puffin kennen, gesprochen mit einem offenen a, wird hier zu einem o, aus dem „Paffin“, wird also ein „Poffin“.

Die landschaftlich wirklich schöne Single track road an der Westküste entlang nach Tobar Mhoire war wirklich sehr schön, trotz des eher grauen Wetters. Und just am schönsten Teilabschnitt schickte die Sonne sogar ein paar Strahlen durch die Wolken.

An unserem Tagesziel angekommen, suchten wir erst den Fährableger für morgen, dann unseren Stellplatz für die Nacht und fuhren dann wieder auf 4 Rädern – aber zwei eigene für jeden von uns – in den Ort. So kurz nach 17:00 Uhr war aber fast überall schon Ladenschluss. Eigentlich klar, zum Five o’Clock Tea sollte man wohl keinen Bewohner der britischen Inseln stören. Die Destillerie im Ort, die Flüssigkeiten ähnlicher Farbe, aber aus anderen Ingredenzien, herstellt, hatte aber offen. Irgendwann müssen wir anfangen, auch diese Seite Schottlands kennenzulernen, warum also nicht hier. Wir suchten uns als absolut unkundige Whiskyverkoster zwei Proben aus. Einmal 10 Jahre in Virgin Oak gelagert und einmal 21 Jahre in Portweinfässern gereift. Verkosten würden wir diese erst, nachdem unsere Fahrräder wieder in der Garage stehen würden. Einen Whiskykäse (der wird aber auch aus Milch gemacht 😉 ) tauschen wir auch noch gegen Britische Pfund, was zum Wein passt, wird zu Whisky auch funktionieren, so dachten wir uns das.

Das Abendessen gab es am hiesigen Fish’n’Chips-Stand. Auch dieser hatte wieder einen Award bekommen, wie jeder andere Stand, den wir bisher sahen. Ich hege die Theorie, dass genauso viele Preise für Fish’n’Chips-Buden existieren, wie es eben solche gibt. Ein Gewinner eines solchen Awards darf im selben Jahr an keinem weiteren Wettbewerb mehr teilnehmen. Mit diesen Regeln hat am Jahresende jeder Stand seinen Award erhalten…

Aber zurück zu den Wässerchen. Wir schauten etwas genauer auf unsere zwei Probenfläschchen und staunten nicht schlecht über 57% bzw. 60,3% Alkoholgehalt. Obwohl wir beide keine Ahnung davon haben und bestimmt nicht zu Whisky-Kennern werden: Die schmeckten durchaus und deutlich besser als jeder länger gelagerte Gerstenbrand, den wir jemals irgendwo aus Supermarktflaschen getrunken haben (auch wenn das seeeeehr lange her ist). Es ist wie bei vielen Dingen: Gutes braucht seine Zeit.

Passende Gläser haben wir übrigens nicht dafür. Aber wenn viele Whiskysorten in alten Weinfässern lagern, dann kann als letztes Gefäß ein Weinglas nicht ganz falsch sein. Ich hinterließ im Weinglas sogar einen winzigen Rest Wasser, weil ich gelesen hatte, dass dies dem Whisky und seiner Entfaltung gut täte. Dem Bouquet gab es jedenfalls viel Raum. Ein erstes Schnuppern wie beim Wein desinfizierte jedenfalls alles von der Nase bis zum Hypothalamus und trieb das Wasser in die Augen. So gewappnet widmeten wir uns über mehrere Stunden unseren beiden Proben und dem Käse. Mehrere Stunden deshalb, weil irgendwie in dieser Zeit auch noch dieser Text geschrieben werden wollte. Ich hoffe, dass trotz der hochprozentigen Dröhnung noch etwas Lesbares dabei herauskommt.

Wir werden es sicherlich die nächsten Wochen wiederholen, mit anderen Wässerchen, aus anderen Destillen.

Jens

Er fotografiert und gelegentlich schreibt er auch.