Inzwischen befinden wir uns unter Wolkenkratzern mitten in Manhatten, oder in San Gimignano, wie die Einheimischen hier sagen. Wir schrieben es schon mehr als ein Mal – wenn wir irgendwie in der Nähe sind, müssen wir hier hin. Nicht wegen der außerordentlichen Kulisse oder Historie der Stadt, sondern wegen des Eises. Wer das nicht versteht, hat es noch nicht probiert.

Einen Parkplatz in Laufweite der Innenstadt zu finden, gleicht einem Glücksspiel, zumindest wenn man erst zu Mittag oder sogar später hier ist. Für uns ist das allerdings kein Problem, da wir einfach unsere Räder nehmen und in die Stadt fahren. Als Radfahrer sind wir in der Stadt die Ausnahme und so haben wir ein paar Schwierigkeiten, es irgendwo loszuwerden. Wir entdecken aber die abgestellten Räder zweier Radtouristen, stellen unsere daneben und reihen uns ein in die Menschenkolonnen durch die Stadt.

Unser Ziel führt uns schnurstracks auf die Piazza della Cisterna. Dort können wir uns, ohne genauer hinzuschauen, an die längste Schlange anstellen, denn diese endet mit Sicherheit in der Gelateria Dondoli. Während des Anstellens können wir schon mal planen, welche Sorten wir probieren werden. Die Kenner dieses Eises erkennt man daran, dass diese sich nach Verlassen der Verkaufstheke sofort wieder hinten anstellen und erst dann mit dem Eisgenuss beginnen. Es gilt, keine Zeit zu verlieren 😉 Leid tun mir hingegen jene, die, endlich bis an die Theke durchgerückt, wieder nur Vanille und Stracciatella bestellen. Gewiss, auch diese Sorten werden hier besser schmecken als anderenorts, aber bei dieser Auswahl, bei Himbeere mit Rosmarin, bei Ricotta mit Brombeere, erst Recht bei Pampelmuse mit Prosecco – mein absoluter Favorit – könnte man das Bekannte auch mal liegen lassen.

Wir suchen uns einen Platz auf den Sockelstufen der Zisterne, die der Piazza den Namen gibt. Rings um den Brunnen kann man den Meinungen über das Eis lauschen. Zum Schmunzeln sind immer die Neuentdecker, die zusammen mit erfahrenen „Dondolieren“ hier sind. Geraten erste ins Schwärmen, heißt es von letzten „Haben wir euch doch gesagt!“ Wir kennen das, auch wenn wir heute niemanden von diesem Eis überzeugen.

Nach unserem ersten Eis bzw. dessen drei suchen wir uns ein Lokal. Im Gegensatz zum Eis ist das in San Gimignano gar nicht so einfach, weil es doch viele Touristenfallen gibt. Die Leser:in weiß inzwischen, wie wir das erkennen: Laminierte Speisekarten, manchmal noch gesteigert durch aggressive Werbung vor dem Lokal, lassen uns einen Bogen machen. In einer Seitengasse werden wir aber fündig. Spätestens als unsere Tischnachbarn aus London das „Gleiche bestellen, was wir gestern schon hatten“, können wir uns in gewisser Sicherheit wiegen, keine so schlechte Wahl getroffen zu haben. Wir probieren uns durch ein paar Weißweine der Gegend, alles Vernaccia-Trauben, deren Saft hier nicht nur in Edelstahltanks oder Eichenholzfässern reifen darf, sondern auch mal wie zu Caesars Zeiten in Amphoren. Zum Wein gibt es Schinken, Salume und Pecorino – genau richtig als Grundlage für die zweite „La sessione del gelato“. Eva probiert sich unter anderem an Basilikum mit Tomaten, auch diese Sorte kann süchtig machen. Wie es das Teaserbild zeigt, ging der Weiltmeistertitel auch letzte Saison wieder hier her. Es wird niemanden wundern, wenn es dieses Jahr wieder so sein wird.

Jens

Er fotografiert und manchmal schreibt er auch.

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