Ich glaube, ich freue mich wieder auf das morgendliche Weckerklingeln an einem normalen Schultag. Was vorgestern noch unmenschlich war, ist heute schon Geschichte. Vorgestern sagte mir Jens beim Klingeln des Weckers um 5:30 Uhr, dass zu so einer unmenschlichen Zeit keiner aufstehe, heute war 5:00 Uhr plötzlich ganz normal 😳

Zu erklären ist der Sinneswandel damit, dass wir vorgestern ja wieder einmal die Zeitzone gewechselt hatten und die Sonne somit eine Stunde früher am Horizont erschien. Strenggenommen haben wir die Zeitzone gar nicht gewechselt, aber in Arizona gibt es keine Sommerzeit, das kommt also aufs Gleiche heraus. Da wir auch noch ein ganzes Stück entfernt vom heutigen Sunrise-Point wohnten, musste es also zeitig losgehen. Ich weiß allerdings auch nicht, ob das frühe aufstehen nicht einfach auch vor dem Erfrieren gerettet hat 😉, letzte Nacht habe ich nämlich wirklich richtig gefroren. Beim Losfahren stellten wir dann auch schnell fest, dass es so um die -1°C waren. Da war zum einen vorsichtiges Fahren angesagt, zum anderen drehte ich die Autoheizung mal so richtig auf. Die vom Campervan funktionierte nämlich genau so wenig, wie das heizen des Warmwassers. Ein Glück, dass das Auto so gut fährt und uns über alle Berge und Offroad-Pisten bringt, ansonsten hätte man schon längst mal über den Sinn des Unternehmens nachdenken müssen. Aber vielleicht haben wir auch ein besonderes Montagsgefährt abbekommen. Die Kritik gilt aber alleinig dem WoMo-Ausbau von Winnebago (und der Pflege seitens des Vermieters), nicht aber dem Mercedes-Fahrzeugunterbau.

Trotz aller Widrigkeiten sind wir eine Dreiviertelstunde später am Point Imperial in knapp 2.700 Meter angekommen und Jens hat erst einmal die Gegend erkundet. Ich habe es vorgezogen, bis kurz vor dem wirklichen Sonnenaufgang das Auto zu hüten, bin aber dann tatsächlich pünktlich zur Sonnenshow erschienen. Da ja mittlerweile jedem klar ist, dass das eigentliche Spektakel erst nach dem Aufgang der Sonne losgeht, weiß ja auch jeder, dass das mit dem Fotografieren etwas länger dauert. Also habe ich mich dann wieder ins Mobil begeben und noch 20 Minuten geschlummert.

Da es draußen immer noch sehr kalt war, sind wir nochmal zu der schon am gestrigen Abend besuchten Lodge gefahren, haben uns mit Kaffee und Breakfast-Burritos versorgt und wechselten dann erst in den Veranda-Raum und später auf die Terrasse der Lodge. Dort konnten wir dann ganz wunderbar in der Morgensonne sitzen und den Anbruch des Tages genießen, zusammen mit den letzten Gästen der Lodge, denn auch hier endet heute die Saison.

Heute hatten wir an sich keine lange Reise vor uns, wollten wir doch nur vom Nordrand des Grand Canyons zum Südrand wechseln – insgesamt 12 Meilen. Blöd nur, dass unser Auto (und auch wir) keine Flügel hat (haben). So mussten wir den kleinen Umweg von reichlich 300 Meilen in Kauf nehmen. Zum Glück gab es auf diesem Weg doch noch das ein oder andere zu bestaunen. Jens hatte schon gestern einen Spot für einen Indian Summer Shot ausgemacht und diesen heute auch wiedergefunden. Bei wesentlich besserem Wetter als gestern konnte er heute da auch ein bisschen rumfotografieren (das klingt jetzt ziemlich despektierlich, ist aber nicht so gemeint).

Kurz vor Page, ja, von da sind wir gestern weggefahren, gab es noch den Horseshoe Bend zu besichtigen. Dort kann man auf den Colorado schauen, kurz hinter dem Staudamm das Lake Powell, kurz bevor er beginnt, den Grand Canyon zu formen. Vor 26 Jahren waren wir schon einmal hier, aber mit wenig anderen Menschen und meiner Meinung nach auch ohne Geländer. Aber so ändern sich halt die Zeiten und mittlerweile haben wir uns an die Dimensionen auch „angepasst“, ich will nicht unbedingt gewöhnt sagen. Es ist auf jeden Fall noch ähnlich beeindruckend, in die Tiefe zu schauen und diesen Fluss zu sehen, der so etwas gigantisches wie den Grand Canyon geschaffen hat.

Danach mussten wir uns in Page mit einem Mittagsmahl stärken. Für heute hatte ich etwas anderes als Taco Bell rausgesucht. Wir aßen im Bird House, in dem es als einzigen Vogel Huhn gab. Ausgehungert, wie wir waren, sind wir der Versuchung anheim gefallen, ein ganzes Huhn mit Beilagen für uns zwei zu bestellen. Naja, es ist auf jeden Fall etwas fürs Abendessen übrig geblieben. Nachdem das Auto auch ein bisschen Futter bekommen hat, haben wir uns dann auf den direkten Weg zum Südrand des Grand Canyon gemacht. Zwischendurch war die Landschaft mal ein bisschen langweilig und ich glaube, wir mussten beide auch gegen die Müdigkeit ankämpfen, die der frühen Aufstehzeit geschuldet war, aber wir haben es gut geschafft.

Über dem Grand Canyon selbst waren wieder einmal Regenwolken zu sehen, aber ähnlich wie gestern gab es pünktlich zum erwarteten Sonnenuntergang grandioses Licht und auch wieder einen Regenbogen. Vorher waren wir natürlich an quasi jedem Aussichtspunkt stehen geblieben, um wenigsten EIN Bild zu machen.

Für heute und morgen hatte Jens auf dem Mather Campground, ganz in der Nähe des Grand Canyon Villages einen Platz gebucht, man könnte auch sagen: gewonnen. Auch hier war fast alles ausgebucht. Da es ein Tent only Platz ist, haben wir uns gestern vorsichtshalber bei Walmart ein einfaches Zelt gekauft, das wir hier notfalls aufstellen könnten. Am Platz angekommen, sahen wir aber schnell, dass dies wohl nicht nötig sein würde. Die Platzbeschreibung bezog sich wohl eher auf den etwas kürzer ausgefallenen Autostellplatz, aber das war für uns ja kein Problem. Unser Auto ist zwar wesentlich höher, aber nicht länger als ein herkömmlicher amerikanischer PKW. Wir konnten uns den Zeltaufbau also sparen und gingen direkt dazu über ein Feuer zu schüren, in dem mittlerweile die Kartoffeln hoffentlich gar sind und das Huhn auch wieder eine brauchbare Verzehrtemperatur entwickelt hat.

Und Jens hat mir versprochen, dass wir morgen früh ausschlafen können 😁.

Eva

Sie schreibt und selten fotografiert sie auch.