Der Himmel hat seinen grauen Mantel wieder abgelegt, heute morgen strahlt er wieder blau und ein paar Wolken werfen schöne Schatten in die Wälder. Der letzte Sturm ist nicht ganz spurlos vorübergegangen. Es sind zwar keine Bäume umgefallen, aber das Blätterkleid beginnt sich zu lichten, dafür gibt es jetzt gelbe, orangene und rote Farbtupfer auf dem Boden. Das wollen wir noch ein bisschen genießen und verschieben unsere Abreise von der Insel noch für ein paar Stunden.

Wir biegen noch einmal ein Stück auf den Cabot Trail ein und folgen diesem wieder quer über die Insel nach Westen, nur um kurz vor der Küste am Golf von St. Lorenz einmal Schwung zu holen, um die Insel über eine andere Straße wiederum nach Osten zu queren. Unterwegs halten wir immer mal wieder wegen der schönen Laubfärbung an. Wir haben schon das Gefühl, dass in den letzten zwei Tagen hier auf Breton Island nochmal richtig der Pinsel eingesetzt wurde 😉

Noch zu Hause hatte ich im Inneren der Insel einen Wasserfall ausgemacht, der eine ausgiebigere fotografische Sitzung zu verdienen schien. Diese Egypt Falls sind der eigentliche Grund für diesen Schlenker. Am Straßenrand finden wir auch ein primitives Schild mit dem Hinweis auf eine Dirty Road zum Wasserfall, welcher wir folgen. Etwa 4 Kilometer geht es immer bergauf durch den Herbstwald. Wir kommen uns vor, als wären wir die ersten Menschen hier… aber weit gefehlt. Am Trailhead stehen schon sehr viele Autos und wir haben Schwierigkeiten unser nicht ganz kleines Fahrzeug so abzustellen, das andere noch vorbeikommen würden. Ach ja, es ist Thanksgiving, das Wetter ist schön und so nutzen die Kanadier den Feiertag für Ausflüge in ihre Umgebung.

Auch wir rüsten uns aus, ich mit Wanderschuhen, Stativ und Fotorucksack, Eva mit Orthese und Wanderstöcken. So wirklich viele Informationen über die Länge und den Zustand des Weges hatte ich nicht sammeln können und so probieren wir es einfach. Nach wenigen hundert Metern über üppiges Wurzelwerk im farbenfrohen, aber sehr abschüssigen Wald tritt Eva dann doch den Rückzug an. Ich finde das immer traurig, lasse mich aber dieses Mal überreden und gehe allein weiter. Im Nachhinein bin ich heilfroh, dass ich es gemacht habe und auch, dass Eva nicht mit war. Der Weg ging immer steiler den Hang hinunter, an einer Felswand gab es eine hölzerne Treppenkonstruktion und danach nur noch ein paar Seile zum Festhalten, das ist leider nichts mehr für meine liebe Frau. Ihr müssen in diesem Fall die Bilder reichen. Sehenswert war der Wasserfall auf jeden Fall, auch wenn er keine gehobenen isländischen Standards erfüllt 😉

Nach eineinhalb Stunden hatte ich mich dann vom Wasserfall wieder verabschiedet und bin wieder aufgestiegen. Unterwegs kehrten wir bei „The Farmers Daughter“ ein, bevor ein Reisebus eine Ladung Amerikaner hier anlandete. Das waren uns dann doch zu viele Leute und wir traten den Rückzug an, auch wenn auf dem Stuhl noch Platz gewesen wäre 😉

Wir erreichten den Trans Canada Highway (TCH) und kurze Zeit später überquerten wir den Canso Causeway – wir waren wieder auf dem Festland. Dem TCH folgten wir weiter nach Westen, wollten wir doch eventuell noch die Fähre über die Northtumberland Strait nach Prince Edward Island erreichen. Unterwegs beschlossen wir aber, uns keinen Stress zu machen und lieber das schöne Wetter zu genießen. So statteten wir Pictou einen Besuch ab und stellten fest, das an Thanksgiving zu Nachmittag wir wohl die einzigen Menschen sind, die draußen frei herumlaufen.

Auch der Campground im nahen Caribou/Munroes Island Provincial Park, auf dem wir als erstes unser Glück für die heutige Nacht versuchten, begrüßte uns mit einem Schild „Wir öffnen 2024 wieder“. Schlagartig ist hier jetzt keine Saison mehr. Unser zweiter Versuch am Birchwood Campground auf der anderen Seite des Ortes führte dann zum Erfolg. Dort gab es einen Platz für uns, einen Strom- und einen Wasseranschluss und eine Feuerschale. Wenige Minuten später saßen wir am Feuer, und tranken dass, was wir hier häufiger probieren: Cider.

Morgen früh wird uns das Smartphone wecken müssen, wenn wir die Fähre nach Prince Edward Island nehmen wollen. Vorher werden wir aber wie jeden Tag den Wetterbericht zu Rate ziehen, ob das auch morgen noch eine gute Idee wäre…

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