Jetzt mit Resümee…
Früher war die Mathematik eines Sommerurlaubs in Kanadas Westen einfach. Es gab genau zwei Konstanten, eine am Anfang der Formel, eine am Ende und dazwischen ganz viele Unbekannte. Ganz von allein löste sich die Gleichung, Stück für Stück, jeden Tag ein bisschen mehr. Bei der Lösung half uns vor allem das Wetter, welches unseren Weg bestimmte. Diese Zeiten sind inzwischen vorbei, wir erlebten dies so letztmalig 2015 im Pazifischen Nordwesten. Heute rückblickend betrachtet war das eine andere Zeit – eine andere Epoche – es war die Zeit vor Covid.
Unser nächster Versuch, den Pazifischen Nordwesten bzw. Vieles, was da drumherumliegt zu besuchen, scheiterte an der Plage. Nach Covid hatten wir schnell wieder einen Flug, versuchten ein Wohnmobil zu bekommen und scheiterten – es gab schlicht keine. Die Vermieter hatten in der Pandemie all ihre Bestände verkauft, die Hersteller noch nicht genügend nachproduziert. Aus unserem Amerikaurlaub wurde so ein Besuch bei den Kelten – war auch sehr schön. Damals hatten wir noch vor, mit dem Wohnmobil Kanada so zu bereisen, wie wir das bis dahin immer gemacht hatten, früher mit dem Zelt, später mit dem Truck Camper. Immer mit unserer Gleichung aus zwei Konstanten mit vielen Variablen dazwischen. Als wir noch der Hoffnung nachirrten, ein Wohnmobil auftreiben zu können, sahen wir schon, wie kompliziert es geworden war. Schon immer waren im Sommer viele Menschen in den kanadischen Rockies unterwegs, inzwischen sind es aber seeehr sehr viele! Und all diese wollen in den Nationalparks geleitet und kanalisiert werden, die Natur braucht Reglementierung. So wird eine einfache Campsite zu einem begehrten Objekt, dessen tageweise Reservierung in genau definierten Zeitfenstern mehrere Monate im Voraus erfolgen muss. Unser Kalender war voll von solchen Terminen, die wir, wollten wir Erfolg haben, minutengenau einhalten mussten. So reihten wir uns, bzw. hauptsächlich Eva sich, in die Warteschlangen der Buchungsportale des kanadischen Nationalparkservice, der Parkverwaltung Britisch Columbias oder Albertas ein, am Anfang fast resignierend in der Warteschlange auf einem vierstelligen Platz mit einer 9 vorn zu stehen, später, mit mehr Erfahrung uns freuend, wenn wir auf Platz 6548 einsteigen konnten. So buchten und reservierten wir uns unseren Urlaub zusammen, viel Variabilität ist nicht übrig geblieben.
Wenn dem nun schon so ist, können wir natürlich ein paar Dinge noch einmal anders denken. So war ein großer Traum, den ich schon sehr lange träume, das Befahren der Inside-Passage. Wer diese nicht kennt: Vielleicht ist sie am ehesten mit der Fahrt entlang der norwegischen Küste mit der Hurtigrute zu vergleichen. Die Inside-Passage verläuft an der kanadischen Pazifikküste zwischen dem Norden Vancouver Islands und dem Alaska Panhandle, immer durch die Fjorde und Sunde an der Küste. Auch hier ist ein spontanes Vorfahren am Hafen mit der Hoffnung mitzukommen blauäugig. Ohne Vorbuchung geht hier gar nichts.
Wenn dies schon so ist, so dachten wir, machen wir das ein klein wenig anderes und nehmen eines der Kreuzfahrtschiffe von Alaska aus vor dem WoMo-Trip oder nach Alaska danach. Irgendwann hatten wir uns dann eine der vielen Linien ausgesucht und sahen dann voriges Jahr eines dieser Schiffe im Firth of Forth vor Edinburgh liegen – No! Zu groß für uns.
So zogen wir Option 2 in Betracht, die BC Ferry Route und gedachten, auch für unser Teilzeitheim für diesen Urlaub einen Stellplatz auf dem Schiff zu buchen. Wir teilten unseren Urlaub also in zwei etwas gleich große Hälften, am Reißbrett aufgespannt war der Plan notwendigerweise eh schon, glichen das ermittelte Datum mit den Verfügbarkeiten von BC Ferries ab, bestellten für diesen Zeitraum schönes Wetter für die regenreiche Inside-Passage und waren viele kanadische Dollar ärmer. Das liegt aber schon soweit in der Vergangenheit, dass es schon gar nicht mehr weh tut. Wir freuen uns also nur noch auf die Erfüllung dieses, hauptsächlich meines Traumes.
Weil wir so beim Aufteilen waren, machten wir da auch weiter. Unsere Reise besteht so jetzt aus mehreren Abschnitten:
- Die Seen und Icefields (bzw. das, was davon noch übrig ist) der kanadischen Rockies
- Das Land der Yellowheads zwischen den Rockies und der Pazifikküste im Süden Alaskas
- Die Pazifikküste entlang nach Süden (die Inside Passage)
- Vom Regenwald zurück in die Rockies
Das ergibt am Ende eine recht ansehnliche Runde. Wir bauen dann, kurz vor dem Schließen der Figur noch eine Schleife dran. Da können wir nämlich noch einem weiteren langgehegten Wunsch nachkommen und die Forestry Trunk Road, die Versorungsstrecke der Holzfällercompanies fahren. Legenden und viel Übertriebenes liest man zu dieser Unpaved Road. Wir werden uns selbst ein Bild machen und dafür die Rockies, statt sie am Ende wieder zu überqueren, südlich umfahren, um ganz im kanadischen Süden, quasi an der amerikanischen Grenze in die Forestry Trunk Road einzusteigen und dieser, immer die Rockies auf der linken Seite und die Prärie der Great Plains auf der rechten bis etwa zur Hälfte folgen, bis wir in Banff wieder den Trans Canada Highway erreichen und zurück nach Calgary fahren, nach Calgary, dort wo unsere Tour begonnen haben wird, nach Calgary, wohin wir gerade fliegen.
Grönland haben wir schon überflogen, dieses Mal ohne ein Stück Eis gesehen zu haben. Zwischen uns uns den Gletschern liegt heute eine dicke Wolkendecke.
Nach Calgary fliegen wir übrigens einen Tag früher als ursprünglich gebucht. Discover Airlines war vor etwa einem halben Jahr der Meinung, wir könnten doch einen Tag eher fliegen. Wir hatten nur die Wahl mit „Ja“ oder „ja“ zu bestätigen. Jetzt haben wir vor der Anmietung nicht nur die versicherungstechnisch obligatorische eine Übernachtung, sondern zwei. Das Auto können wir nicht einen Tag eher übernehmen. Morgen ist Canada Day, der wahrscheinlich wichtigste Feiertag im Land, gerade jetzt, nachdem ein orangehaariger Typ südlich der Grenze am 49. Breitengrad Imperator spielt. So haben wir diesen Tag als weitere Konstante in unsere Gleichung aufgenommen.
Was machen wir am 20. Juli 2025? Wo übernachen wir da? Wir könnten es jetzt sofort schreiben, wäre aber irgendwie doof. Da müsstet ihr demnächst dann doch nochmal vorbeischauen…
Die Etappen
- DRS – MUC – YYC | Montag, 30. Juni, 2025
- Happy Canada Day | Dienstag, 1. Juli, 2025
- Freundliche Übernahme | Mittwoch, 2. Juli, 2025
- Big Business | Donnerstag, 3. Juli, 2025
- An One Billion Dollar View | Freitag, 4. Juli, 2025
- Icefields Parkway | Freitag, 4. Juli, 2025
- Romeo und Julia, Bald Eagles und Bighorn Sheeps | Sonntag, 6. Juli, 2025
- Mythenmetzsche Abschweifungen | Dienstag, 8. Juli, 2025
- Marshmallows & Dark Chocolate | Mittwoch, 9. Juli, 2025
- Dark Chocolate & Marshmallow | Mittwoch, 9. Juli, 2025
- Konserven | Donnerstag, 10. Juli, 2025
- First Nation | Freitag, 11. Juli, 2025
- Sailing inside | Samstag, 12. Juli, 2025
- The other side of the island | Sonntag, 13. Juli, 2025
- Walfahrt | Montag, 14. Juli, 2025
- Der Flug der Gans | Dienstag, 15. Juli, 2025
- Sea to Sky | Mittwoch, 16. Juli, 2025
- Sky | Donnerstag, 17. Juli, 2025
- Sky to Sea to City | Freitag, 18. Juli, 2025
- Obstgärten und Weinkeller | Sonntag, 20. Juli, 2025
- 30 Minuten | Montag, 21. Juli, 2025
- Smaragdgrün – in Ansätzen | Dienstag, 22. Juli, 2025
- Erster | Mittwoch, 23. Juli, 2025
- Zu spät | Donnerstag, 24. Juli, 2025
- Lewis, Clark und Prince of Wales | Freitag, 25. Juli, 2025
- Forestry Trunk Road | Sonntag, 27. Juli, 2025
Die Route
Es kam, was kommen musste
Irgendwann ist es vorbei. Wir haben festgestellt, dass dies jedes Mal passiert. Einerseits sind wir natürlich traurig, dass der Urlaub vorbei ist, andererseits freuen wir uns auch auf zu Hause. Und, vielleicht auch nicht ganz unwichtig, ja, sogar ein Privileg: Wir freuen uns auch auf unsere Arbeit, die nicht nur notwendiges Übel ist, um die nächste Reise finanzieren zu können.
Zur Zeit sitzen wir noch in Calgary auf dem Flughafen. Discovery Airlines hat uns darüber informiert, dass der Flug etwa 1h Verspätung hat. Das scheint bei Rückflügen aus Kanada für uns fast eine Gesetzmäßigkeit zu sein. Naja, auf welchem der Flughäfen wir uns die Pöpse breitsitzen, ist auch egal.
Was lässt sich am Ende noch schreiben? Vielleicht ein Resümee: Kanada ist das bessere Amerika, aber das wussten wir schon längst. Ohne Vorplanung und -buchung geht aber in der Sommersaison nichts mehr, das ist schade. Die großen und bekannten Nationalparks wirken bis auf wenige Hot Spots keinesfalls überlaufen, das ist gut. Die Regulierung erfolgt über begrenzte Übernachtungskapazitäten, sowohl in Hotels und Motels, als auch, hier viel wichtiger, den Campsites. Im Grunde steht an jedem Campground ein Schild „full“ oder „sorry, no vacancy“. Das macht durchaus ein erhabenes Gefühl, wenn man trotzdem vorfahren kann und wir dann auf der Liste stehen, aber Spontanität geht so leider verloren. Aber das wussten wir vorher. Es sei nur jedem eventuell einen Kanada-Urlaub Planenden ans Herz gelegt, ebenso vorzugehen, sonst wird es keine Freude. Für uns war die Vorbuchung relativ einfach. Einen Großteil der Locations kannten wir, so wussten wir, was uns erwartet, wieviel Zeit wir dort verbringen wollten usw. Für Ersttäter ist dies ungleich schwieriger. Diese müssen sich auf das verlassen, was andere darüber kundtun.
Gerade eben ist uns wieder einmal bewusst gemacht worden, dass wir vielleicht nicht ganz so normal sind. Auf der Fahrt mit dem Shuttle von Fraserway zum Flughafen kommen wir fast zwangsläufig mit anderen ins Gespräch. Alle sind ziemlich beeindruckt über das Gesehene. Dann bekommen wir die Frage gestellt: „Wart ihr auf Vancouver Island in Tofino?“ Ich antworte: „Nein, dieses Mal nicht.“ Verdutzte Blicke bei unseren Gegenübern und eine gewisse Demut bei uns.
Gesamtstrecke | 5777 Kilometer |
Gesamtmenge Diesel | 878 Liter |
Durchschnittsverbrauch | 15,2 Liter |
Durchschnittspreis | 0,72€/Liter |
Zeit hinterm Lenkrad | 88h 49m 45s |
Es war schön, mal wieder 4 Wochen aus der Zeit zu fallen und nur das zu tun, worauf man Lust hat. Da macht sich Dankbarkeit breit, dass uns das möglich ist. Ich (Eva) frage mich in unseren Campingurlauben ja immer mal wieder, warum ich mir das antue (der Verzicht auf meine eigene Dusche sei nur ein Beispiel 😉 – und ja, ich weiß, dass wir eine Dusche im Camper haben, aber die ist wirklich für den Notfall). Aber rückblickend betrachtet waren in den 4 Wochen die Tage am schönsten, an denen wir nicht das kleinste Fitzelchen Internet hatten und einfach mal nichts erfahren konnten und durften. Mal sehen, wie viel wir uns von unserer Erholung in die Arbeitszeit hinüberretten und wie lange das dann anhält 🙂
Man liest sich!