Unsere Weiterfahrt von Whistler in die Bergregenwälder British Columbias im Wells Gray Provincial Park hatten wir ja gestrichen, wir schrieben davon. Dort erschien es uns eindeutig zu nass – Regenwald hin oder her. So planten wir um, statteten vorgestern ungeplant Vancouver einen Besuch ab und reisten dann auf dem Highway #3 nahe der amerikanischen Grenze bis ins Okanagan Valley. Dieses sticht uns zur Zeit in jedem Supermarkt ins Auge, weil von dort jedes kanadische Stück Obst zu kommen scheint, ebenso jede Flasche Wein.

Geografisch fällt dieses Tal, welches schon im Washington State beginnt, für kanadische Verhältnisse etwas aus der Reihe. Es ist ziemlich exakt Nord-Süd-ausgerichtet und wird im Norden von einer Bergkette begrenzt. Damit ist es geschützt vor polaren Wettereinflüssen und damit klimatisch durchaus mit dem zu vergleichen, was wir aus Europa kennen. Zu Hause verdanken wir das milde Klima ja nicht nur dem Golfstrom, sondern auch dem skandinavischen Gebirge, welches Mitteleuropa häufig vor polarer Kaltluft schützt.

Zusätzlich strömt in das Okanagan Valley heiße Luft aus dem Great Basin, jener großen Wüste hinter der Cascade Range in Washington State, Oregon und Kalifornien. Dies sorgt dann für ausgesprochen gutes „Wachswetter“. Ich erinnere mich an einen Sommer vor ein paar Jahren, wo wochenlang das Okanagan Valley unter einer Hitzeglocke lag und hier Temperaturen von an die 50°C gemessen wurden. Davon wurde sogar bei uns in Europa berichtet. So exorbitant heiß ist es zum Glück derzeit hier nicht, aber signifikant wärmer und trockener als im Umland ist es jetzt trotzdem.

Als wir über die Ausläufer der North Cascades von Westen kommend durch den Manning Provincial Park in das Tal einfuhren, sahen wir am Straßenrand Weinreben und Obstbäume, soweit das Auge reichte. Die einzelnen Farmen haben allesamt einen Verkaufsstand am Straßenrand, wo die Obsternte und Produkte daraus verkauft werden. Nicht erwähnt werden muss, dass sich damit unsere Reisegeschwindigkeit dramatisch verringerte, bedingt durch den einen oder anderen Stopp. Sogar eine Ciderie fanden wir gestern ohne sie gesucht zu haben. Unserer Menüpläne für den Abend wurden sofort in eine Cidre-Verkostung geändert, begleitet mit der Probe diverser Wurst- und Käsesorten aus der Region. Der Cidre hatte jetzt kein gehobenes normannisches oder bretonisches Niveau, für nordamerikanische Verhältnisse war er aber mehr als gut, ebenso Wurst, Schinken und Käse, welche eher an Italien als an Kanada erinnerten.

Über Nacht standen wir dann am Osoyoos Lake, direkt an der Grenze. Nicht, das wir diese überqueren wollten, aber sie hätte tatsächlich nur zwischen 10:00 vormittags und 5:00 nachmittags geöffnet. Der RV-Platz war einer der schlechteren, aber am Wochenende muss man ungeplant das nehmen, was übrig ist – einmal mehr ein Beweis für die Richtigkeit unserer Vorbuchungsorgien. Unsere Site ist nicht sehr geräumig. Unser Nachbar, der mit seinem Trailer noch mehr Schwierigkeiten hat und mit seinem Pickup schon etwas auf unsere Site ragt, kam fragen, ob es so gehen würde oder ob er nochmals umrangieren müsse. Ich bedeutete ihm, dass uns das nicht stören würde. Darüber war er so dankbar, dass er sich sogleich erkundigte, ob wir denn anständig mit Internet versorgt seien oder, falls nicht, ob wir sein Starlink mitnutzen wollten. Wir verneinten, aber das sind die netten Begebenheiten, die so nebenbei im Urlaub passieren.

Heute dann durchfuhren wir das Okanagan Valley von Süden nach Norden, im Grunde von Farm zu Farm. Wir fuhren an die 250 Kilometer durch Kanadas Obstgärten und Weinkeller.

Jetzt sind wir wieder in den Bergen und planmäßig auf einem BC Parks Campground, der gleich wieder um Größenordnungen schöner ist, als die beiden der letzten Tage. Am Eingang des Campgrounds wollte man sogar eine ID-Card von Eva sehen, damit es auch wirklich wir sind, die einen der raren Sites in Besitz nehmen. Fliegen geht ohne Ausweis, aber bei der Campsite hört das Vertrauen dann auf 😉

Das Wetter hielt bis gerade eben, die Kartoffeln aus dem Feuer und der Lachs von einer Etage höher sind vertilgt und ich warte jetzt noch bis das Feuer ganz aus ist. Der Regen beschleunigt dies. Eva wird gerade dreimal geduscht, einmal auf dem Weg dorthin, ein zweites Mal dann wie gewünscht unter jener und bestimmt ein drittes Mal auf dem Rückweg. Ich verschiebe das dann auf morgen, streichen doch hier Bären herum, denen ich nicht unbedingt allein im Dunkeln begegnen möchte. Man kann sich als Europäer zwar die Warnungen vor Bären immer wieder durchlesen und anhören, so ganz glaubt man im Innersten dann doch nicht dran – bis man selbst eine entsprechende Begegnung hat.

Gute Nacht.

Jens

Er fotografiert und manchmal schreibt er auch.

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