Die Sonne ist gerade untergegangen und färbt noch ein wenig die Wolken, erst mit Orange, dann mt Magenta. Sonne? Ja Sonne, aber erst spät am Tag. Die Wetter-App versprach ab 18:00 Uhr etwas blauen Himmel. Sie behielt recht.

Wir nutzten den grauen Tag bis dahin um die Speyside etwas kennenzulernen. Rund um den Fluss Spey gibt es unzählige Destillerien. Die bekannteste und wirtschaftlich erfolgreichste von ihnen ist Glenfiddich, die kennen selbst wir Nichtwhiskytrinker von zu Hause. Jetzt wissen wir auch, woher der Name kommt: Glen, das Tal, Fiddich heißt ein kleiner Nebenfluss des Spey.

Unsere Wahl fiel auf die Destillerie Strathisla, die sah mit ihren Pagoden sehr dekorativ aus. Die Buchung einer Guided Tour im Internet war nicht mehr möglich, es stellte sich wie komplett ausgebucht dar, wir versuchten es trotzdem direkt vor Ort und das hat sich gelohnt. Wir machten unseren Rundgang zu fünft – eine Guide, ein schottisches Paar und wir als absolute Whiskyexperten 😉 . Einmal wollten wir aber den Vorgang der Herstellung vor Ort sehen, auch wenn wir in groben Zügen wissen, was da passiert. Erst Gerste kurz keimen lassen und wieder trocknen, dann den Malz mahlen, wieder mit Wasser versetzen und gären lassen, die nach Bier riechende Brühe destillieren und dann den wasserklaren Alkohol in Eichenfässer abfüllen. Jetzt kommt das Wesentliche: warten…viele Jahre.

Den Gerstenmalz stellt kaum eine Destillerie noch selber her, der wird in LKW-Ladungen angeliefert. Ob dieser Malz immer aus schottischer Gerste keimt? Ich bezweifele das, wenn ich mal die landwirtschaftlich nutzbare Fläche ins Verhältnis zur destillierten Alkoholmenge setze. Handarbeit ist bei den Prozessen bis zur Abfüllung ins Fass kaum zu sehen, das läuft alles in größeren Dimensionen, auch wenn wir hier in einer eher kleinen Destille sind. Bei der Besichtigung der Malzmühle wird uns berichtet, dass es auf der ganzen britischen Insel zwei Leute gibt, die diese alten Mühlen reparieren können. Und Mühlen dieses Typs stehen in fast jeder Destillerie hier in der Speyside. Das ist der Inbegriff von Fachkräftemangel!

Weiter geht unsere Führung zu den großen, bis zu 60 Jahre, alten Gärtanks. Hier stehen 10 davon, jeder von ihnen über 5 Meter hoch von Böttchern vor Ort gebaut, ohne jeden Nagel oder ähnliches. Ganz so, wie Fässer halt gebaut werden. Der Geruch erinnert an Bier, der Geschmack soll aber enttäuschend sein. Wir können das nicht nachprüfen, da Bier für uns immer enttäuschend schmeckt – als Nichtbiertrinker. Die Guide zieht den Vergleich zu der selbst uns bekannten unteren Schublade für Bier: „Stell‘ ein Heineken 3 Tage in die Sonne, dann riecht und schmeckt es genauso wie das hier!“

Wir folgten den Rohrleitungen, welche die Gerstenbrühe zu den Brennblasen transportieren. In vier Blasen wird hier der Alkohol destilliert. So ganz haben wir nicht alles verstanden, das schottische Englisch unserer Guide ist wirklich anspruchsvoll. Aber irgendwie liegt das Ziel bei 65% Alkohol und dafür muss die Flüssigkeit mehrmals durch die Brennblasen, die mit unterschiedlichen Temperaturen arbeiten. Erstaunt schaue ich auf die Durchflussmenge des fertig destillierten Alkohols – er läuft in Strömen, eine glasklare Flüssigkeit, ohne jegliche Farbe, die kommt erst mit der Lagerung durch das Eichenholz.

Ein Warehouse, ein Lager voller Whiskyfässer, ist unsere nächste Station. Dort drinnen riecht es sehr angenehm nach Holz und Whisky. Was wir riechen ist Angels‘ share, der „Engelsanteil“. Am Anfang verdunsten pro Jahr bis zu 4% der Füllung, über die Jahre wird es weniger, 2% pro Jahr sind es aber immer. In diesem Warehouse lagern etwa 700 Fässer, das ist quasi nichts. Insgesamt lagern in den Warehouses dieser Destillerie „6 point 5 million casks“, wie uns erklärt wird. Das sind 6,5 Millionen Fässer mit jeweils einem Barell (200 Liter) Whisky! Schottland hat etwa 5,5 Millionen Einwohner:innen, das heißt, Strathisla hat für jede Schottin und jeden Schotten mehr als ein Fass! Und das ist nur eine der Destillerien hier. Und jetzt rechnen wir mal ein wenig und stellen fest: Die Engel vertilgen hier etwa fünfzehn 50-Meter-Schwimmbecken voller Whisky im Jahr 😉

Bei der Betrachtung dieser Mengen geht mir gerade die Teillegalisierung von Cannabis durch den Kopf (also im übertragenen Sinne, bei mir geht das nicht wirklich durch den Kopf). Wie wirkt solche eine Destillerie wie hier wohl in Kulturkreisen, wo Alkohol verboten oder unüblich ist? Wir stehen hier gerade in einem großen Drogenlabor und diskutieren über Hanfpflanzen? Irgendwie albern, finde ich.

Im Warehouse gibt es noch einen besonders gesicherten Bereich. Dort hat sich der Blend Master ein paar besonders wertvolle bzw. gute Fässer hingestellt und verblendet diese zu besonders außergewöhnlichen Mixturen. Die paar Fässer in diesem Bereich werden mit £80.000 taxiert.

Zu guter letzt geht es für uns zur Verkostung. Auf Autofahrer ist man gut vorbereitet, wir riechen nur, kosten wirklich gaaaaanz wenig und dürfen uns den Rest abfüllen zur späteren Verkostung. Das machen wir doch glatt. An alle Kund:innen unseres neuen Im- und Exportgeschäftes: Hier gibt es keine Probiergrößen und die von uns abgefüllten Proben müssen noch heute geleert werden, bevor sie ihr Aroma verlieren. Wirklich schade 😉

Am Ende stellen wir beide fest: Der Geruch ist wirklich angenehm und vielfältig, den Geschmack brauchen wir nicht zwingend. Den Namen der Destillerie sprachen wir mal wieder völlig falsch aus, es heißt Sträfeihla. Falls wir jemals vor der Aufgabe stünden, Whisky verblenden zu müssen, würden wir das rein nach optischen Erwägungen machen und dann auch so sortieren. In diesem Sinne:

Slàinte mhath

Jens

Er fotografiert und gelegentlich schreibt er auch.