Seit gefühlten fünfzehn Jahren, auf das eine oder andere Jahr möchte ich mich nicht festlegen, feiern wir in unserem Familienkreis mit einem umfangreichen Essen den jüdischen Sederabend. Die einzelnen Bestandteile dieses Essens sind Symbole des Exodus. Am Anfang begingen wir diesen Abend am Gründonnerstag. Das war teilweise terminlich ziemlicher Stress, sodass über die Jahre der Palmsonntag zum bevorzugten Termin wurde.In diesem Jahr hätte es eine Woche eher stattfinden sollen. Ich erinnere mich an manch schwere Terminfindung: Vor zwei Jahren waren Eva und ich in Island und der Termin drohte nicht zwischen allen koordiniert werden zu können. Mir war aber die Kontinuität solch einer langen Tradition bei uns durchaus wichtig und so fanden wir auch in 2018 einen Termin, der allen passte. Dieses Jahr aber kommt uns ein ca. 8µm kleines Partikel dazwischen. Aus dem großen Kreis der Mitesser bleiben nur zwei übrig – Eva und ich. Mir kam über all die Jahre immer die Aufgabe zu, das Lammgericht zu kochen, alle anderen Bestandteile wurden jedes Jahr immer von den gleichen Familien beigesteuert. Heute (und gestern) hat Eva nun die Aufgabe übernommen, alle Bestandteile neben dem Lamm zuzubereiten.
Mussten die letzten Jahre immer mehr Lämmer ihr Leben dafür lassen – im vorigen Jahr hatte ich noch 25 Lammstelzen im Ofen, reichen dieses Jahr vier davon und das auch nur, damit diese sich in der Bratreine nicht vor Einsamkeit fürchten.

Zu diesem Mahl gehört auch, dass die oder der jüngste im Kreis die Bedeutung der einzelnen Bestandteile anfragt. Von uns beiden bin ich jetzt der Jüngste.

Das grüne Kraut (Karpas) erinnert an die Früchte der Erde, die zum Leben notwendige Nahrung. Die Bitterkräuter (Maror) sind Sinnbild der Bitterkeit des Lebens im Land der Knechtschaft.

Die Linsen erinnern an die Farbe der Lehmziegel bei der Sklavenarbeit in Ägypten zum Bau der Pyramiden.

Die hart gekochten Eier sind Zeichen der Trauer und Erinnerung an die Zerstörung des Tempels.

Mazzen – ungesäuerte Brote erinnern an die eilige Flucht aus Ägypten. Es sind dünne Brotfladen aus Wasser und Weizenmehl. Der Teig wird nach dem Zusammenkneten der Zutaten sofort gebacken. Dadurch hat der Teig keine Zeit zum Aufgehen und damit auch keine Zeit, den säuerlichen Geschmack zu entwickeln, der Brot erst lecker macht. Juden essen Mazzen zum Pessachfest als Erinnerung an die Flucht des Volkes Israel aus Ägypten. Damals hatten es die Menschen so eilig, dass sie auch ihr Brot in Windeseile backen mussten. Mazzen heißen auch „Das Brot der Armut“, weil es daran erinnert, dass der Auszug aus Ägypten sehr armselig verlief und kein pompöses Ereignis war.

Und Mose sprach: So spricht der Herr: Um Mitternacht will ich durch Ägyptenland gehen, und alle Erstgeburt in Ägyptenland soll sterben, vom ersten Sohn des Pharao an, der auf seinem Thron sitzt, bis zum ersten Sohn der Magd, die hinter ihrer Mühle hockt, und alle Erstgeburt unter dem Vieh.

Um verschont zu bleiben, solle jede israelitische Familie abends ein männliches, einjähriges fehlerloses Jungtier von Schaf oder Ziege schlachten, mit dessen Blut die Türpfosten bestreichen und es dann braten und gemeinsam vollständig verzehren. An den so markierten Häusern werde der Todesengel in derselben Nacht vorübergehen ( pāsaḥ), während er Gottes Strafe an Ägypten vollstrecke.
Der angebratene Knochen der Lammstelzen heisst Seroa. Auch er erinnert an das Lamm als Pessachopfer in der Pessachnacht.

Als „Sättigungsbeilage“ (als ob man diese noch brauchen würde ;=) gibt es Kartoffelkugel. Der Kugel (auch Kugl und Kigel, jiddisch קוגל, kugl) ist ein traditionelles Gericht der aschkenasisch-jüdischen Küche, das von der Zubereitung einem Auflauf ähneln kann. Es gibt davon süße und herzhafte Varianten. Kugel kann ein Beilagengericht sein oder eine Nachspeise, er kann warm oder kalt gegessen werden. Der Name stammt aus dem Deutschen und soll sich auf die früher verbreitete runde Kloßform beziehen. Kugel wird traditionell am Schabbat gegessen.

Das Fruchtmus (Charoset) besteht meist aus Äpfeln mit Zimt und Rosinen) und erinnert dann auch an die Farbe der Lehmziegel bei der Sklavenarbeit in Ägypten. Bei uns soll heute der Honig darauf daran erinnern.

Eigentlich würde roter Wein noch dazu gehören: Er hat die Farbe des Blutes und ist somit Symbol des Lebens. Beim Pessach-Mahl soll der rote Wein an das Blut der Opfertiere erinnern, das bei der Feier des Bundesschlusses vom Sinai versprengt wurde mit den Worten: „Das ist das Blut des Bundes, den Jahwe mit euch geschlossen hat“. Aus rein geschmacklichen Gründen ist es aber heute ein Weißwein geworden.

Gelungen ist uns alles. Schmecken wird es heute Abend bestimmt. Fehlen wird trotzdem etwas.

Dann halt nächstes Jahr wieder.

Jens

Er fotografiert und gelegentlich schreibt er auch.

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