Es war am 10. April 2015 als ich das erste Mal hier unterhalb des Kirkjufells am Wasserfall stand. Irgendwann vorher hatte ich ein Bild dieses Ensembles gesehen und sofort wusste ich: Das will ich auch sehen. Nur aus diesem Grund gehörte die Halbinsel Snæfellsnes mit in unsere erste Wintertour in Island. Das am Ende dieser Tag alle anderen Tage der Reise in den Schatten stellte, war natürlich Glück, das konnte niemand voraussehen.

Damals, es ist schon oder erst acht Jahre her, war die Gegend noch nicht so bekannt. In kaum einem Reiseführer wurde Grundarfjörður, das Kirkjufell und der Kirkjasfoss erwähnt, nur Fotografen war diese Gegend ein Begriff. Inzwischen ist das anders. Damals regte sich der andere noch anwesende Fotograf fürchterlich darüber auf, dass ich ihm minutenlang im Bild stand, als ich meine Langzeitbelichtungen machte. Heute ist es nahezu unmöglich, das Ensemble ohne störende Menschen im Bild abzulichten. Das soll kein Jammern sein, nur eine Feststellung. Ich weiß, dass auch meine Bilder in diversen Communities dazu beigetragen haben, diesen Ort zum Sehnsuchtsort vieler Reisenden zu machen,

Bisher waren wir dreimal hier, zweimal im Winter, einmal im Sommer. Der erste Besuch im Winter, da war ich mir bis gestern sicher, würde so nie wieder zu erleben sein: früh Schneefall, dann spontanes Aufklaren, den ganzen Tag blauer Himmel und Sonnenschein. Ich war mir sicher, dass dies ein singulärer Glücksmoment war. Im Sommer zwei Jahre darauf sollte es dann wieder so kommen: Am Abend an besagter Stelle die Sonne genau an der richtigen Stelle – wieder hatten wir unbeschreibliches Glück.

Ein Jahr später, wiederum im Winter waren die Verhältnisse hier dann vielleicht gewöhnlicher: Tiefer Winter, alles wirklich ein- und erfroren, keine Sonne, kein blauer Himmel – kein Fotografenwetter, trotzdem beeindruckend, auch weil es ganz anders war. Für uns war das damals leicht zu verschmerzen, hatten wir doch die Tage davor an anderer Stelle traumhafte Bedingungen. Narren wären jene, die denken würden, in Island immer und überall solch traumhaftes Wetter vorfinden zu können.

Dass es dieses Jahr noch einmal so werden würde wie bei unserem ersten Besuch – also wieder blauer Himmel, Sonnenschein und weißer Schnee – davon haben wir vielleicht ein bisschen geträumt, aber es niemals so erwartet – schon wieder haben wir unbeschreibliches Glück.

Wenn ich jetzt hier hinter meinem Stativ stehe und im Grunde gar nicht weiß, wohin ich es als erstes ausrichten soll, mich auch ein bisschen wie ein kleiner Junge fühle, dem wiederholt ein großes Geschenk zu teil wird, denke ich auch über die ein oder andere Bemerkung zu den Hochglanzbildern solcher Ensembles nach, Bilder wie auch ich sie gerne anfertige – und ja, ich gebe es zu – auch um ein „Wow“ bei BetrachterInnen zu erzeugen. Solche Bilder wären nicht echt, das ist alles gefaked, in Wahrheit sei es viel weniger spektakulär. Alles falsch: Natürlich sehen wir die schönen Bilder nur im besten Licht, wer macht hier schon ein schönes Bild im Einheitsgrau eines verregneten Tages. Wenn ich aber sehe, wie weit die Busladungen an Touristen dem Ort letztendlich fernbleiben, weil sie, aus dem Fahrzeug ausgestiegen, keine fünf Meter weit laufen, ist mir klar, dass diese Touristen weder dasselbe sehen wie wir, geschweige denn, dasselbe empfinden können. In 5 Sekunden ist nichts so zu sehen, wie es der Fotograf zeigen will, der hier stundenlang steht, um das eine Bild machen zu können. Vielleicht klingt das gerade ein wenig abgehoben und provokativ, aber der heutige Tag hier ist für mich zum wiederholten Mal der Beweis, dass Hochglanzbilder nicht gefaked sein müssen, sondern dass es in Natura sogar noch spektakulärer sein kann, wenn Zeit und Ort passen. Ja, Glück gehört dazu, aber vor allem Aufmerksamkeit und Dankbarkeit gegenüber dem Erlebten. Bilder können uns so etwas nur zeigen, sehen muss jeder selbst.