Eva ist jetzt auch in der Atlantic Standard Time angekommen, nachdem sie jede Nacht weitere 15 Längengrade kompensiert hat, oder einfacher ausgedrückt: jeden Tag eine Stunde 😉 Das merken wir deutlich an unserer Morgenprozedur. Wir starten gemütlich in den Tag, den ersten Kaffee gibt es im Bett. Dies bedeutet aber auch, dass eine oder einer dreimal jenes verlassen muss: Kaffeewasser ansetzen – warten, dann Wasser in die French-Press-Kanne füllen – warten und dann Kaffee holen. Heute war das die Arbeit von „Einer“ 🙁

Unser Frühstück nehmen wir unter interessierter Beobachtung einiger Eichhörnchen zu uns, übrigens kleine rot-orangene Kletterkünstler, keine großen grauen Buschschwänze. Mir war das gar nicht bewusst, dass es hier in Nordamerika auch „unsere“ Eichhörnchen oder mindestens enge Verwandte von ihnen gibt.

Nach dem Frühstück begleichen wir noch unsere National-Park-Entrance-Fee. Gestern haben wir das irgendwie nicht mehr geschafft. Wir berechnen natürlich vorher, ob es sich lohnen würde, den Jahrespass für alle kanadischen Nationalparks zu kaufen, aber dafür sind wir nicht lang genug unterwegs. Genau diese Frage wird uns dann im Visitor Center auch gestellt, aber wir sind mit unserer Antwort gut vorbereitet.

Unsere erste Aktivität ist die Besichtigung der Dickson Falls. Inzwischen ist es leider notwendig, sehr genau zu eruieren, wie lang und beschwerlich der Weg sein wird, dürfen wir doch das „Wunderding“ an Evas Knie nicht überstrapazieren 😉 Ich sehe auf Bildern immer nur einen Holzbohlenweg und genau diese Aussicht verheiße ich dann auch. Unterwegs werde ich dann mehrmals damit aufgezogen, am Ende finden wir das Wegstück mit Holzbohlen durch den akadischen Küstenwald auch. Schon unterwegs kehre ich dann nochmal um und hole die Wanderstöcke, so ganz umsonst sollen diese nicht mitgeflogen sein.

Wie in nordamerikanischen Nationalparks und ganz besonders in Kanada zu erwarten war, ist das nicht nur ein Wanderweg, sondern auch ein Bildungstrip. Eva kennt jetzt alle 32 Baumarten des akadischen Küstenwaldes, oder zumindest hat sie über alle Bäume etwas gelesen. Das besonders milde Klima im Wald und der Schlucht bemerken wir nicht wirklich, weil zur Zeit überall besonders mildes Klima herrscht. Eva hat dann auch viel Zeit auf dem Weg, da ich mein Fotogerassel nicht ganz umsonst durch die Gegend getragen haben will.

Nächster Tagesordnungspunkt ist die Besichtigung der ersten Covered Bridge auf dieser Reise. Die Durchfahrtshöhe beträgt 4,40 Meter, wir haben also noch 42 Zentimerter Luft nach oben. Allerdings soll das Fahrzeug nicht länger als 24 Fuß sein, um die enge Kurve vor der Brücke passieren zu können. Was soll ich schreiben: Mit 25.9ft geht es auch 😉 Diese Brücke hier am Point Wolfe ist 1995 erbaut worden. Die Überdachung gewährt der Brücke eine Lebenszeit von 70 bis 100 Jahren, ohne den Wetterschutz wären es wohl nur 10 Jahre – ein Tribut des feuchten und rauen atlantischen Klimas. Mit covering jedoch halten diese Brücken hier länger als die meisten Beton- oder Stahlkonstruktionen.

Wir verlassen nun den Fundy National Park, nur um im angrenzenden Dorf Alma ein Mittagsmahl zu uns zu nehmen, nicht ohne eine weitere Cider-Verkostung. Der kleine Ort besteht aus einigen Restaurants, ein paar Motels und diversen „Hummeraufbereitungsfirmen“, oder wie man das auch immer nennt, wenn Hummer gefangen und dann für den Versand vorbereitet werden. So viel Hummer, wie es hier überall gibt, sollte man sich vermutlich nicht trauen, mit nackten Füßen ins Meer zu gehen, zumindest wenn beim Durchzählen der Zehen „10“ pro Person herauskommen soll 😉 Dieser Gefahr unterliegen wir aber nicht wirklich, erstens ist das Wasser nur alle reichlich 6 Stunden da und zweitens ist es dann, wenn es da ist, auch noch ziemlich kalt. So beginnen wir quasi erst jetzt nach dem Mittag unsere heutige Reise-Etappe, die aber auch nur etwa 65 Kilometer lang sein wird. Wir schlängeln uns immer die Küste entlang, teils durch den Küstenwald, teils durch die Salzmarschen der Gezeitenküste. Am Fundy’s Cape wartet dann der Leuchtturm des Tages auf uns.

Auf dem Weg zu unserem Tagesziel, den Hopewell Rocks, passieren wir eine weitere Covered Bridge, die Sawmill Bridge ist aber nicht mehr in Benutzung, sondern steht nur dekorativ abseits der Straße, bildet aber das Motiv, welches ich mir für solch ein nordamerikanische Ensemble immer vorgestellt habe.

Alsbald erreichen wir den Ponderosa Pine Campground, unseren erklärten Übernachtungsplatz. Wir begutachten kurz unsere Site, wie der Name vermuten lässt, befindet sich diese unter Ponderosa Kiefern. Warum die hier stehen, erschließt sich uns nicht, besonders nach der heutmorgigen Wissenserweiterung zu akadischen Küstenwäldern. Wir forschen aber nicht nach und nehmen es einfach zur Kenntnis. Kurz schauen wir uns um, ob Ben Cartwright von der Ponderosa Ranch auch da ist (ältere LeserInnen kennen vielleicht noch die Fernsehserie „Bonanza“ und können damit etwas anfangen), wir sehen ihn aber nicht und fahren noch etwa einen Kilometer weiter bis zum Hopewell Rocks Provincial Park. Dieser Park hat zwei Gesichter, eines bei Flut und eines bei Ebbe. Dazwischen liegen hier wieder 16 Meter. Jetzt am Abend ist Flut und damit ein Großteil des Parks nicht zugänglich. Nur von der Steilküste könnten wir auf die pittoresken Felsformationen schauen und ich diese womöglich fotografieren. Kann ich aber nicht – zu viel Buschwerk verdeckt eine fotogene Sicht auf die Felsen. So treten wir den Rückweg an, ein Pileated Woodpecker (Helmspecht) hilft über unseren Verdruss hinweg. Die Eingangsgebühr mussten wir nicht zahlen, da wir eine halbe Stunde vor Schluss kamen, wir waren auch fast allein. Die Größe des Parkplatzes lässt jedoch vermuten, dass dies auch anders sein kann.

Zurück auf unserer Campsite bekommen wir später dann ein gutes Alternativprogramm. Für kurze Zeit legt sich der Wind, der See nebenan wird zum Spiegel, der Himmel trägt ein paar fotogene Wolken auf, die letzten Sonnenstrahlen fallen auf den Wald und der laubtragende Anteil der Bäume beginnt zu leuchten. Nicht lange währt diese Aufführung, aber so habe ich mir Indian Summer immer vorgestellt.

Morgen früh wollen wir einen weiteren Versuch an den Hopewell Rocks bei Ebbe unternehmen. Zwischen 9.00 und 12:45 ist der untere Bereich zugänglich, bis dann das Wasser in die Bay of Fundy zurückkommt, wie jeden Tag, im immer gleichen Rhythmus, den der Mond vorgibt.

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