Der Morgen kommt früh. Tiefe Wolken liegen über dem Waterton Lake. Wir haben einen weiten Weg vor uns. Heute, so ziemlich am Ende unseres diesjährigen Sommerurlaubs möchte ich noch eine Zeile von meiner Bucket List streichen. In einem Reiseführer las ich schon Mitte der 1990er Jahr von der Forestry Trunk Road, jener Piste die immer an der Ostflanke der kanadischen Rockies entlang, fast an der amerikanischen Grenze beginnend, etwa 1000 Kilometer nach Norden führt. Wir wollen im Süden einsteigen, am Crowsnest Pass am Highway #3 und die Piste etwa bis zur Mitte befahren, bis zu ihrer Kreuzung mit dem Trans Canada Highway #1.

Gebaut wurde die Road von den Logging Companies, die über diesen Weg das gefällte Holz abtransportieren. Zu lesen gibt es darüber recht wenig. Die Meinungen liegen mit „unbefahrbar“ bis „ganz leicht“ weit auseinander. Ursprünglich hatten wir drei Tage für diesen Teil der Road geplant. Da uns aber der Waterton Lakes National Park dazwischen kam, haben wir jetzt nur einen Tag für die knapp 300 Kilometer bis zum Peter Lougheed Provincial Park und einen weiteren für das Erreichen des Trans Canada Highways. So richtig planen können wir die Route nicht, die Onlinedienste weigern sich irgendwie, diese Piste zu benutzen.

Den Einstiegspunkt in Coleman kennen wir schon, vorgestern sind wir vorbeigefahren. Da gibt es sogar ein Wegweiser mit dem Hinweis „Forestry Trunk Road“. Wir biegen, von Osten aus der Prärie kommend nach Norden in die Road ein. In ein paar Spitzkehren geht es aus dem Ort heraus. Der Asphalt endet, nur noch Schotter. Die Piste schlängelt sich durch die Foothills. Logging Trucks sehen wir keine, dafür Camping Trailer rechts und links auf den Wiesen. Die Strecke fühlt sich an wie ein riesiger Campingplatz. Gelegentlich queren wir Cattle Guards, die hier in Alberta Texas Gates heißen. Hmm, wenn es hier Kühe gibt, scheint es sonst kein Wild zu geben…wir sehen auch keines, keinen Hirsch, keinen Elch und erst recht keinen Bären. Nur ein paar Rocky Mountains Bighorn Sheeps stehen am Rand des Weges. Für die ersten 65 Kilometer ist das Navi im Auto dann doch irgendwie der Meinung eine Route zu kennen und meinte, dass wir 2 Stunden brauchen würden. Bis zum Ende hielt es daran fest, auch als wir nach insgesamt einer Stunde wieder Asphalt unter den Rädern hatten.

War’s das jetzt? Dafür so viele Legenden? Wir sind auf der Kananaskis Road. Wir fahren weiter nach Norden. Nach weiteren reichlich 100 Kilometern erreichen wir unser Tagesziel, den Lower Lake Campground im Peter Lougheed Provincial Park. Auch diesen hatten wir längst gebucht. Wie wir vor Ort sehen, geht das auch gar nicht mehr anders. Wer hier spontan vorbeikommt, findet am Visitor Center einen Public Hotspot. Diesen kann man nutzen, um damit online einen Platz zu buchen. Das einzige, was man vor Ort bezahlen kann und muss, ist der Alberta Pass, unser Beitrag für den Erhalt des Parks. Ansonsten sind wir seit nun 160 Kilometer offline – auch schön. Einen letzten Sack Holz organisieren wir für den Abend. Wir wetten auf schönes Wetter. Die kanadische Wetterseite, deren Vorhersagen auch im Visitor Center aushängen, zeigen für das ganze Wochenende strömenden Regen. Unsere norwegische Lieblings-App „yr.no“ zeigt ab 16.00 Uhr blauen Himmel.

Das Wetter verspätet sich. Aber dann passiert es doch. Der Regen endet, erste blaue Flecken sind am Himmel zu sehen. Nicht viel später sieht die Umgegend so aus, wie wir uns das gewünscht haben. Auch die Präriehunde merken das.

Zurück auf unserer Campsite verkochen wir weitere Reste aus unserem Kühlschrank. Danach setzen wir uns ans Feuer. Heute ist es etwas schwieriger, das Holz zu entzünden, da alles etwas feuchter ist. Aber wir sind erfahrene Lagerfeuerentfacher. Unsere Nachbarn haben weniger Erfolg. Das junge Pärchen, wahrscheinlich aus China, ist wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem Leben allein außerhalb der Zivilisation. Wir werden gefragt, ob wir Benzin zum Anzünden hätten. Natürlich nicht! Und ihr solltet das auch nicht benutzen! Wir schenken den beiden unsere letzten beiden Fire Starter. Eva bedrängt mich, bei den Beiden noch mal nachzuschauen, ob es auch funktioniert. Sie hatten tatsächlich die beiden Anzünder zwischen baumdicke Holzscheite gelegt. Also hole ich die Axt und mache das, was ich die letzten Abende immer wieder geübt hatte.

Am Morgen stellen wir fest, dass das erste Outdoor-Abenteuer der Beiden wohl vorzeitig abgebrochen wurde. Die übrigen Holzscheite würden für ein weiteres Feuer reichen. Wir haben viel Zeit. Heute wartet auf uns nur noch die Rückkehr in die Zivilisation bis kurz vor Calgary. Das Wetter dort ist wenig einladend. Das ist aber egal, außer Packen werden wir heute nichts mehr machen. Morgen früh geht unser Flug. Vorerst nehmen wir aber nicht die gut ausgebaute Kananaski Road, sondern versuchen uns noch einmal für etwa 70 Kilometer auf der „Forstfernstraße“. Dieses Teilstück ist schöner als das gestrige. Ein Abenteuer wird es trotzdem nicht.

In Canmore, Wintersportfans werden den Ort vielleicht kennen, fanden hier doch die nordischen Skiwettbewerbe der Olympischen Winderspiele 1988 statt, erreichen wir den Trans Canada Highway. Die Zivilisation hat uns wieder, ohne das sie uns wirklich verloren hatte. Unsere Geräte haben wieder Empfang. Aufgeregt vibrieren sie vor sich hin. Es gibt Nachrichten für Eva auf allen Kanälen aus vielen Ecken der Welt: gleich von nebenan😉 aus Chile, von der anderen Seite der Welt aus Laos, aus der Normandie, aus den Niederlanden – wie klein die Welt doch ist – und erst recht unsere Blase! Jedenfalls vielen Dank dafür, soll ich ausrichten.

Wir kennen jetzt den südlichen Teil der Forestry Trunk Road. Ich streiche den Punkt auf meiner Bucket List. Wessen Bucket List diesen Punkt bisher nicht aufwies, sollte es auch dabei belassen. Aber vielleicht ist das auch nur unser Problem, die wir den Denali Highway, den Top of the World Highway, den Dempster, den Silver Trail und erst recht die Canol Road gefahren sind. Der Peter Lougheed Provincial Park jedoch ist sehr schön und steht den drei Nationalparks Kooteney, Banff und Jasper in Nichts nach.

Jens

Er fotografiert und manchmal schreibt er auch.

1 Antwort

  1. Heike Küchler sagt:

    Hallo ihr beiden, nun konnten wir euch zeitlich bedingt endlich wieder folgen. Dies macht Spaß, humorvoll und ehrlich
    Wir stehen heute tatsächlich wieder mal in Hirtshals am Terminal Richtung Seydisfjördor mit unserem Defender und denken an euch…
    lg und bis bald mal wieder Heike und Andreas

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