Der Morgen begrüßte uns trocken, windstill, aber grau – über Nacht hatte es sich zugezogen. Das hatten wir gestern schon so gesehen und beschlossen, der Sonne Richtung Westen immer an der Nordküste Islands entlang zu folgen. Das ist von Borgarfjördur aus ein ziemlich langwieriges Unterfangen: Straßen sind hier nur rudimentär vorhanden, der Auslauf des Flusses Jökulsá á Brú in den Atlantik und eine Schlucht, die der Fluss sich gegraben hat, zwingt zu langen Umwegen und zwei Gebirgszüge gilt es auch zu überwinden.

Zwischen diesen beiden Gebirgszügen fließt die Jökulsa á Brú. Wenn man irgendwo anschaulich Glaziologie lehren wöllte, dann hier: Der Fluss fließt mäandernd durch sein Urstromtal, bevor er sich sanft in den Nordatlantik entleert. Gewiss, solche Urstromtäler finden wir auch bei uns in der Nähe – der Spreewald ist nichts anderes – aber wirklich sehen kann man das bei uns nicht.

Hier im Nordosten Islands ist auch für isländische Verhältnisse „Der Arsch der Welt“, nicht umsonst heißt das Tal „Lands End“.
Wir winden uns langsam bei 15% Steigung den Pass herauf, oben sehen wir nichts, wir sind mitten in den Wolken. Auf der anderen Seite der Berge fällt aber schnell der Vorhang, das Wetter ist isländisch grau. Dass man hier Elfen begegnen könnte, scheint fast folgerichtig.

Unten angekommen folgen wir der Küstenlinie immer grob Richtung Westen. Auch hier gibt es den ein oder anderen Aussichtspunkt mit skurillen Festformationen im Meer oder –  der Leser oder die Leserin hat es vielleicht schon vermisst – Wasserfällen. Einer davon ist der Gljúfursárfoss, was so viel heißt wie der verborgene Wasserfall. Und tatsächlich sind wir recht überrascht, wieviel Wasser sich hier fast direkt ins Meer ergießt.

Unterwegs erinnere ich mich an einen Campingplatztipp, den Eva in irgendeinem Forum aufgeschnappt hatte und erkläre diesen zu unserem Tagesziel. Am Ende werden wir reichlich 300 Kilometer gefahren sein. Na gut, das sparen wir dann morgen ein. Aber es hat sich gelohnt. Hinter einem kleinen Museum hat der geschäftstüchtige Betreiber die Wiese bis herunter zum Meer zur Campingwiese erklärt. Die Corona-Maßnahmen umgeht er beim Empfang dadurch, dass er uns mit mobilem Kartenterminal direkt am Zufahrtsweg empfängt. Wir erklären unser Begehr, dass wir auch gern Strom hätten, er zählt von weitem kurz die abgehenden Kabel am Verteiler und bedeutet, dass für uns auch noch eine Dose frei wäre. Wir könnten uns hinstellen, wo wir wollen bzw. soweit unser Anschlusskabel reicht. Genau das tun wir auch, schön ausgerichtet auf das Meer und mittels Wasserwaage im Smartphone auch ziemlich gerade. Plus/Minus 2° sind für uns ausreichend, so genau nehmen wir das nicht. Das Wetter hier auf 66°12′ N sieht schon wirklich gut aus und verbessert sich ständig. Gegen 22 Uhr fragen wir uns, ob wir solch einen farbigen Sonnenunterlang in Island schon mal gesehen haben und müssen dies gemeinsam verneinen.

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