So ganz sollte der Traum, hauptsächlich mein Traum, wir schrieben es schon das eine oder andere Mal die letzten Tage, heute nicht in Erfüllung gehen. Mit ziemlicher Vermessenheit hatte ich mir immer Blau von oben und unten und in der Mitte Grün vorgestellt. So war es heute nicht, das wussten wir schon die letzten Tage. Andererseits: Wie sollte hier in den letzten paar tausend, wenn nicht Millionen Jahren, ein Regenwald entstanden sein, wenn nicht durch Regen und die damit einhergehende Bewölkung?

Ich hatte mit diesen Wetterbedingungen aber schon längst meinen Frieden gemacht. Das konstant eher schlechte Wetter brachte auch einen Vorteil mit sich, es war nahezu windstill und damit sehr ruhiges Fahrwasser. Die Fahrt an sich ist schon ein Träumchen, das kann ich nicht anders schreiben. Irgendwie mit Norwegen zu vergleichen, andererseits wiederum auch nicht. Es ging von Prince Rupert an der Grenze zu Alaska für uns reichlich 400km nach Süden bis Port Hardy an der Nordspitze Vancouver Islands. Die ganze Zeit fährt das Schiff durch enge Sunde und Kanäle, immer ist das Land auf beiden Seiten in greifbarer Nähe. Die Gletscher haben in den letzten beiden Eiszeiten hier genauso effektiv wie im Skandinavischen Gebirge gearbeitet und hier ebenso tiefe und enge Einschnitte in der Landschaft vorgenommen. Hier sind sie allerdings von unten bis oben bewaldet.

Dieser Wald ist die Lunge Nordamerikas und trägt einen nicht unwesentlichen Teil zum CO2-Abbau bei. Noch größer ist übrigens dieser Anteil für die Kelpwälder unterm Wasser. Davon sahen wir nichts, das wissen wir aber. Die Natur oder die Schöpfung, wie auch immer man das sehen will, hat sich hier wieder ganz besondere Dinge einfallen lassen. Durch den umfangreichen Niederschlag wird der Boden an den steilen Berghängen sehr stark ausgewaschen und damit auch Mineralien und Stickstoff aus dem Boden ausgetragen, Nährstoffe, welche die Überwasserflora aber dringend brauchen würde, so aber fast ausschließlich der Unterwasserwelt zu Gute kommt. Für den Nährstoffeintrag über Wasser sind die Lachse zuständig, die in Unmengen hier in die Flüsse zurückwandern. Im Gegensatz zu den atlantischen Lachsen, die nicht zwingend nach dem Laichvorgang verenden, tun dies ihre pazifischen Verwandten immer, sie sind der Mineralien- und Stickstoff-Lieferant für den Wald. Damit kann man sich auch leicht vorstellen, was passiert, wenn wir diese Rückwanderung im großen Stil verhindern, weil wir die Fische vorher wegfangen: Wir entziehen unvorstellbar großen Waldgebieten ihre Nährstoffe.

Zurück ins Wasser, auf das Fährschiff: Ungefähr jede Stunde wurde über den Bordfunk verkündet, dass man für 15 Minuten zu seinem Auto unter Deck könnte. Wir nutzten das nicht, dies ist für die Vierbeiner gedacht, die in dem ein oder anderen Fahrzeug sind und nicht in die oberen Decks dürfen. Jede Stunde durften sich die Hunde mit Herrchen oder Frauchen die Beine vertreten, ab und zu war dann sogar ein halbes Deck weiter oben für die Vierbeiner geöffnet.

Unterwegs gab es auch immer wieder Durchsagen zu den Dingen, die man außer Bäumen noch links und rechts des Weges sehen konnte. Am häufigsten war die Durchsage, dass Buckelwale gesichtet wurden, so ganz einfach vom Fährschiff aus. Wenn ich mich da an unseren mehr oder weniger erfolglosen Versuch vor zwei Jahren in Norwegen erinnere…

Die erste Sichtung, für die ich nicht einmal die Durchsage brauchte, da wir ganz vorn auf den ersten Sesseln in der Lounge saßen, mit 270° Rundblick, war vielleicht sogar die schönste. Ich sah einen Buckelwal springen! Bis vor reichlich eineinhalb Jahren war das ein weiterer Traum von mir, so etwas mal live zu sehen. In der Bay of Fundy hatten wir dann das Vergnügen, heute sahen wir es wieder und ich habe es sogar (mehr schlecht als recht) fotografieren können.

Über die vielen Stunden, insgesamt waren es mehr als 17 auf dem Schiff, ließ dann sogar das Interesse an den Walen nach… Gewöhnungseffekt. Wir entschuldigen uns bei allen neidisch hier Lesenden. In Port Hardy kamen wir mit zweieinhalb Stunden Verspätung an, inzwischen war es 2:00 morgens. Keine Ahnung, wo die Kapitänin sich die Verspätung eingehandelt hatte. Eine Stunde geht auf die verspätete Abfahrt, für den Rest haben wir keine Erklärung, gerade weil das Wasser so ruhig war und kein starker Wind wehte. Für die Wale wurde auch keine Stopps eingelegt, es bleibt somit für immer ein Rätsel.

Zusammenfassend kann ich hier schreiben, dass es mit Sicherheit besseres Wetter für die Inside Passage gibt, es aber selbst heute ein Erlebnis war. Außerdem sparte uns diese Schiffspassage mehr als 1.700 Kilometer Auto fahren durch das Hinterland, um von den Grizzlies der Khutzeymateen Sanctuary bis nach Vancouver Island zu kommen. Ich kann jetzt die nächsten Jahre auch ruhiger schlafen, weil wieder ein Punkt von meiner Bucket List gestrichen werden konnte 😉

Jens

Er fotografiert und manchmal schreibt er auch.

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