Als wir heute früh einen ersten vorsichtigen Blick unter der Bettdecke hervor aus dem Fenster warfen, fing gerade die Sonne an, die Ofoten zu beleuchten. Ja, Ofoten! Das ist kein Tippfehler, diese habe ich bestimmt an anderer Stelle versteckt, sondern ein Gebirge auf dem skandinavischen Festland auf der anderen Seite des Vestfjords. Die aufmerksame LeserIn mindestens des letztsommerlichen Berichtes weiß das bestimmt noch. Jedenfalls sah das doch schonmal recht vielversprechend aus, zumindest in diese Richtung.

Aber vorher hat der heutige Tagesplaner noch das Frühstück anberaumt. Im Frühstücksraum angekommen, staunten wir nicht schlecht: Es war fast kein Platz frei, busladungsweise Touristen. Sind die Lofoten im Sommer schon lange keine Geheimtipp mehr, sind sie es im Winter jetzt auch nicht. Gestern, beim Verlassen des Hurtigrutenschiffs fühlten wir uns noch relativ exotisch, gingen doch nur wenige Passagiere von Bord und noch weniger schienen zusteigen zu wollen, aber heute morgen sind wir nur zwei Schafe einer großen Herde. Vor über 25 Jahren, als wir das erste Mal die Lofoten entdeckten, gab es noch gar kein Hotel dieser Größenordnung hier und wenn es dieses gab, hätten wir uns das niemals leisten können. Damals las man noch davon, dass die Fischer ihre Rorbuer, ihre Fischerhütten, außerhalb der Fangsaison an Touristen vermieten würden. Genau solch eine Unterkunft bekamen wir damals von einem Fischer, der uns auf seinem Fahrrad hinterherfuhr und winkte, als er beobachtet hatte, dass wir in Å – am Ende der Welt – eigentlich zelten wollten, der Platz aber im September schon längst geschlossen hatte. An diese zufällige und für uns damals glückliche Begebenheit erinnern wir uns noch gern, wenn wir hier sind. Heute gibt es diese Art Rorbuer nicht mehr. Die Fischer nutzen während der Fangsaison vielleicht die Touristenunterkünfte, die sie selbst besitzen für ihre eigenen Belange. Wenn ich aber so sehe, wieviele Touristen jetzt im Winter unterwegs sind, habe ich auch daran meine Zweifel.

Apropos Fischer: Wir sehen erst sehr wenige Fischkutter und auch nur auf wenigen Trockengestellen hängen schon paarweise die Dorschhälften, die zum Gold der Lofoten werden sollen. Wahrscheinlich sind die großen Schwärme aus der Barentsee noch nicht da. Als wir vor 10 Jahren hier waren, war der Fang im vollen Gang, aber das war auch fast 14 Tage später im Jahr.

Aber zurück zum Frühstück bzw. jenem, was danach kam: Nur wenige hundert Meter von unserem Hotel entfernt, befindet sich die Avis-Station, die unseren Mietwagen für die nächsten zwei Tage bereitstellen sollte. Schon tagelang nervte uns Avis damit, doch im Internet einen Pre-Check-In zu machen, damit es dann schneller gehen würde. Das hielten wir für Svolvær doch etwas für übertrieben, zumal solche internationalen Buchungsportale immer noch an trivialen Sachen wie Umlauten im Namen scheitern und wir keine Lust hatten, herauszubekommen, wie wir hier gerade transkribiert werden. Also ließen wir es und kamen völlig unvorbereitet am Schalter an. Das Buchungssystem kannte uns und unseren Wunsch auch, nur das bestellte Fahrzeug gab es natürlich nicht. Wir bekamen ein anderes E-Auto. Uns war das für die zwei Tage egal und jetzt kennen wir ein Fahrzeug mehr, welches wir niemals als eigenes in Betracht ziehen würden. Das Navi des Fahrzeugs stürzte schon kurz nach Verlassen Svolværs ab…

Erstes Ziel war der LookOut über dem Austnesfjord. Ich weiß nicht, wie viele Male wir hier schon standen. Auch heute war es wieder schön, vor allem, weil die Sonne noch einen der Gipfel illuminierte. Gestört wurde die Szenerie nur von einer Schar Besucher mit weiterer Anreise als wir, die es nicht vermochten, die Umgegend einfach mal wirken zu lassen. Schade für sie. Da erinnere ich mich doch gleich wieder an ein Telefonat einer unserer Nachbarn gestern auf dem Panoramadeck der Hurtigrute, welches ich nicht überhören konnte. Gefragt nach seinen Eindrücken auf der Reise war die Antwort an die GesprächspartnerIn am anderen der nicht vorhandenen Leitung etwa diese: „Recht langweilig – ich habe jetzt einige schneebedeckte Berge gesehen. Kennst du einen, kennst du alle!“ Solange ich diesen Herren auf dem Schiff gesehen habe, schaute er immer in seinen Rechner – sehen will auch gelernt sein…

Aber auch wir mussten heute feststellen: So schön, wie es hier am Austnesfjord wieder war, es war schon noch schöner, wie die folgenden Bilder zeigen. Manche Eindrücke kann man gar nicht im Moment ihres „Eintreffens“ bewerten, sondern erst später, mit genügend Abstand, in diesem Falle 10 Jahre!

Als der Fjord dann „ausgeguckt“ war, beschlossen wir, das die kleine Insel Gimsøya, gelegen zwischen Aust- und Vestvagøya der nächste Stopp sein sollte. Dort sahen die Berge auch schön sonnenbeschienen aus. Hier haben wir schon Erinnerungen an Ostern 2018 als wir in der Nähe der Kirche gewohnt hatten.

Heute
Konserviert in 2018

Da das Wetter für den Rest des Tages nicht mehr sooo schön werden würde, hatte wir genügend Zeit unser E-Mobil zu betanken. Eine passende Schnellladesäule hatten wir in der heimlichen Hauptstadt der Lofoten in Leknes schnell gefunden. Der Ladevorgang war dann etwas herausfordernder. Die passende App installierten wir im zweiten Versuch, die erste Version des richtigen Anbieters war nur für Deutschland und nicht für Norwegen. Die richtige Version musste noch mit einem passenden Zahlungsmittel versorgt werden: Debitkarte ging nicht, es musste zwingend eine Kreditkarte sein. Auch dieses Problem war gelöst, an der Auswahl des passenden Steckers scheiterten wir nicht, wohl aber an der Auswahl des passenden Anschlusses an der Ladesäule. Nach einer Weile begriffen wir, dass verschiedene Ladeanschlüsse am selben Anschluss hingen und nicht gleichzeitig genutzt werden können. In unserem Fall belegte ein Tesla schon „unseren“ Anschluss, jedoch mit einem anderen Kabel. Im Endeffekt dauerte das Laden dann nicht länger als die Vorbereitungen. Beim nächsten Mal können wir die „Vorbereitungszeit“ dann hoffentlich einsparen. Hätte das Navi übrigens funktioniert und wir hätten die Ladesäule mit diesem ansteuern können, dann wäre das Laden sogar noch schneller gegangen, weil das Auto den Akku dann konditioniert, sprich vorgeheizt, hätte – die kausalen Abhängigkeiten nehmen zu. Aber zusammengefasst können wir sagen, war das Laden einfach. Was dem Wagen recht war, war für uns nur billig: Wir nahmen in der Ladezeit ein koffein- bzw. kakaohaltiges Heißgetränk nebst Waffel, Erdbeermarmelade und Rømme zu uns.

Frisch gestärkt und aufgeladen nahmen wir das letzte Teilstück bis nach Moskenes unter die Räder. Das Wetter wurde zusehends, oder besser wegsehends, schlechter. Nur noch selten gab es interessante Lichtsituationen. Nicht nur einmal sahen wir am Straßenrand Gruppen von mehreren Fotografen mit einer dreifach so hohen Anzahl von Karbonbeinen. Ich werde nie verstehen, warum man eine vorgekaute Fotoreise macht, wo alle zur selben Zeit das gleiche Motiv fotografieren, egal wie die Umstände sind. Heute nachmittag war von Motiv nicht mehr viel übrig, es war weißer Vordergrund vor grauer Wand. Aus diesem Grund zeige ich hier noch ein paar Bilder, was wir hätten sehen können, wenn das Wetter schöner gewesen wäre. Das ist für uns kein Grund zur Klage, die Fischsuppe in Hamnøy schmeckte trotzdem, unsere Unterkunft in Moskenes gefällt uns ausgesprochen gut. Der griechische All-In-One-Consierge-und-Kellner ist sehr unterhaltsam.

Jens

Er fotografiert und manchmal schreibt er auch.